Kapitel 2 - Aus der Dunkelheit ins Licht Fusco stand vor der Tür von Corvus Zimmer und wollte diesen nicht hinaus lassen: „Noch einmal. Du folgst mir, kniest dich neben mir nieder, senkst den Kopf und lässt mich sprechen. Erst wenn er dich anspricht, meldest du dich zu Wort. Weißt du was für eine Fähigkeit, du dir wünscht?“ „Ja, verdammt“, knurrte Corvus, „Wenn du dich noch einmal wiederholst, bist du mein erstes Opfer.“ Breit grinste Fusco ihn an: „Wenn wir mit dem Auftrag durch sind, gehen wir deinen Geburtstag feiern. Das erste Mal nicht in der Hölle und da es ein runder Geburtstag ist, muss man auch richtig feiern. Man wird nur einmal 10.“ Seufzend blickte Corvus ihn an: „Können wir dann endlich? Wegen dir Idiot kriegen wir noch Ärger.“ „Mein Kleiner ist so erwachsen geworden“, grinste Fusco ihn stolz an, „Nun ziehst du schon los in die weite Welt.“ Er ging dann von der Tür weg und öffnete diese, um dann voraus zu gehen. Ruhigen Schrittes folgte Corvus ihm durch den Gang zum Thronsaal. Endlich ist es soweit. Die Welt jenseits der Hölle wird mich kennen lernen. Wie es üblich war, ging Fusco bis etwa zur Mitte des Thronsaales, kniete sich nieder und senkte den Blick. Eigentlich ein unnötiges Unterfangen, da man sowieso nichts sehen konnte. Nur einige Schritte hinter ihm, kam auch Corvus in den Thronsaal, um sich neben Fusco auf die gleiche Weise niederzuknien. „Mein Fürst, Corvus ist soweit“, verkündete Fusco, wobei er ernst klang und seine sonst so heitere Stimmung nicht zu vernehmen war. Ein Schnauben war aus der Finsternis zu vernehmen: „Nenne mir die Fähigkeit, Corvus.“ Jeder Diener musste sich eine Fähigkeit aussuchen, die ihm im Kampf nützlich wäre. Corvus‘ Familie war seit Generationen dem Teufel verpflichtet und jeder äußerte seinen Fähigkeitswunsch an seinem 10. Geburtstag. Andere Diener waren nicht seit Geburt an in diesem Pakt gefangen, sondern kamen aus mehr oder weniger freien Stücken, um sich einen Wunsch erfüllen zu lassen. Oftmals ging es um Unsterblichkeit, das Leben seiner oder ihrer großen Liebe oder aber um Reichtum. Dafür mussten sie dem Teufel dienen bis zu ihrem Tod. Alles was Corvus hatte, war die Wahl der Fähigkeit, die ebenfalls alle anderen Diener trafen. „Lasst mich durch bloße Berührung töten, mein Fürst“, wand sich Corvus an den Teufel. Einen Moment herrschte Schweigen: „Du wirst unnütze und flüchtige Diener jagen, somit brauchst du die Fähigkeit lediglich dafür.“ Eine schwarze Aura umhüllte Corvus, wurde blutrot und dann grau, ehe sie wie Rauch in ihm verschwand. „‘Concremo‘ und ‚Caedes‘ sind die beiden Befehle, um deine Fähigkeit auszulösen“, erklärte Satan ihm beiläufig, ehe er ihm auf telepathischem Wege seinen ersten Auftrag übermittelte. Wie bereits vom Fürsten angekündigt, war Corvus‘ Ziel ein Diener und er sollte ihn töten. Das Aussehen wurde Corvus bildhaft übermittelt, sowie die Information zum Standort. „Geht“, befahl Satan. Die beiden erhoben sich. „Wie ihr wünscht, mein Fürst“, bestätigte Corvus seinen Auftrag und verließ mit Fusco den Thronsaal. In der Halle war Fusco ganz aufgeregt: „Wohin geht es? Wer ist dein Ziel? Du hast das wirklich gut gemacht.“ Murrend blickte Corvus ihn an: „Nach Secreto, ich soll eine Ozelot-Dame ausschalten.“ Da Corvus noch keinerlei Erfahrung mit der Teleportation aus der Hölle heraus hatte sowie sich nicht sonderlich aus kannte, übernahm Fusco das. Sie verschwanden in schwarzen Flammen, wie es für Dämonen typisch war und tauchten in der Stadt Secreto wieder auf. Schützend hielt Corvus sich seine Hand vor die Augen. Das grelle Licht der Sonne blendete ihn und die kühle Luft, ließ ihn im ersten Augenblick frösteln: „Das ist also die Welt der Lebenden?“ Lachend drehte sich Fusco im Kreis und breitete dabei die Arme aus: „Ist sie nicht wunderschön? Nimm einen tiefen Zug von der guten Luft. Das ist wie Balsam für deine Lungen.“ Langsam gewöhnten sich Corvus‘ Augen an das Licht und er senkte die Hand: „Konzentrieren wir uns auf den Auftrag.“ Abrupt blieb Fusco in seiner Drehung stehen und blickte in den Himmel: „Viel helfen darf ich dir beim ersten Mal nicht, aber…“ Er grinste breit: „Das weiß der Teufel ja eh nicht, wenn wir beide die Klappe halten.“ Einige Leute auf der Straße blieben stehen und blickten zu ihnen herüber. Es wurde getuschelt. Als Corvus ihnen einen zornigen Blick herüber warf, gingen sie weiter. Das würde schwieriger werden als angenommen. Die vielen Gebäude, Objekte und Passanten versprachen viele Versteckmöglichkeiten. Ich hatte mir die Stadt anders vorgestellt. Aus Fuscos Beschreibungen konnte auch keiner schlau werden. Wo fange ich am besten mit der Suche an? Langsam schlenderte Fusco zum nächsten Schaufenster und betrachtete die dort ausgestellten Küchenmöbel. Fragend folgte Corvus ihm und blickte in den Laden: „Hast du was bemerkt?“ Grinsend sah Fusco ihn an: „Nein, ich schau mir nur den neuen Einrichtungstrend an.“ Murrend wand sich Corvus von ihm ab und beschloss einfach in eine Richtung los zu laufen. Irgendwas würde sich schon ergeben. Dabei musterte er seine Umgebung. Ob Fusco ihm folgte oder nicht, war ihm egal. Es war sein Auftrag und er würde es ganz alleine schaffen. „Corvus! Warte!“, rief Fusco ihm nach und holte schnell wieder auf, „Du weißt gar nicht, was du verpasst.“ „Ich verpasse gleich dir eine!“, knurrte er nun, um unmissverständlich klar zu machen, dass ihm Fuscos Vorgehensweise sehr missfiel. „Komm schon, Corvus“, meinte Fusco grinsend, „Habe doch mal etwas Spaß.“ „Das…“, er blickte an Fusco vorbei, „Da ist sie.“ Sofort rannte Corvus los, auf die flüchtige Dienerin zu, dabei rempelte er einige der Passanten an, was ihn jedoch nicht sonderlich interessierte. Er wollte möglichst schnell an sie heran. Verwundert drehte sie sich in seine Richtung und erblickte Fusco, welcher ihm folgte. Kurz darauf nahm sie auch Corvus war und grinste hinterhältig: „Da werde ich Satan mal um seinen neuen Diener erleichtern.“ Die Ozelot-Dame trug Halbhandschuhe, welche mit Metall verstärkt worden waren, sowie den Unterarm fast komplett bedeckten. Ihr bräunlicher Ledermantel und die dunkle, zerfranste Kleidung ließen sie doch sehr auffallend in er Menge wirken. Da sie Corvus eh bereits bemerkt hatte, schoss dieser nun mit schwarzen Magiekugeln nach ihr. Geschickt wich sie diesen aus und lachte: „Wie niedlich. Komm schon her, Kleiner.“ Das ließ sich Corvus nicht zweimal sagen und rannte direkt auf sie zu. Eine Berührung und ein Wort würden ausreichen, wenn die Fähigkeit so war, wie Corvus erwartete. Die Dienerin packte ihn, ehe er weiter denken konnte, drehte sich schwungvoll mit ihm, sodass er gegen die Häuserwand krachte. Geistesgegenwärtig wollte Corvus nach ihr greifen, bemerkte aber noch die Faust, die sie ihm ins Gesicht donnern wollte. Gerade so, versuchte er sich weg zu ducken und schrie auf. Die Faust hatte sein rechtes Ohr getroffen und irgendwas bohrte sich dort hinein. Aus dem Handschuhrücken waren zwei winzig kleine Dolchspitzen geschossen. Reflexartig riss er sich von ihr los und erneuter Schmerz durch fuhr die Stelle. Lachend wollte sie gleich noch einmal zuschlagen, bekam dann jedoch einen gezielten Schlag von Fusco im Nacken zu spüren. In Sekundenbruchteilen wurde ihr schwarz vor Augen und sie brach am Boden zusammen. Die meisten Leute hatten das Weite gesucht oder beobachteten das Geschehen aus sicherer Entfernung. Fusco blickte zu Corvus, dem Blut von seinem Ohr tropfte auf seine Schulter hinab: „Bring es zu Ende.“ Schmerzend fasste er sich an die Stelle am Ohr. Mit blutigen Fingern ging er auf die am Boden liegende Dienerin zu, kniete sich zu ihr herunter und berührte sie: „Concremo!“ Kaum hatte er es ausgesprochen, ging ihr Körper in Rauch auf und nichts als Asche blieb. Das ist sie also, meine Fähigkeit. Ob mit Caedes etwas anders passiert!? Das werde ich noch herausfinden. Fusco verschwand mit Corvus in schwarzen Flammen, zurück in die Hölle. Allerdings tauchten sie direkt vor Corvus‘ Zimmer auf. „Versorgen wir deine erste Kampfwunde“, meinte Fusco grinsend und drängte Corvus in den Raum. Vorsorglich hatte Fusco bereits einige Verbände in er Schublade des Schreibtisches verstaut. Eine davon holte er hinaus und sah sich dann Corvus‘ Wunde am Ohr an. „Schau nicht so viel und verbinde sie endlich“, murrte Corvus, dem das gar nicht passte. Er hatte nicht gut genug aufgepasst und schon bei seinem ersten Auftrag versagt. Hätte Fusco sich nicht eingemischt, wer wusste schon, wie das ausgegangen wäre. Grinsend zupfte Fusco leicht an dem Ohr herum. „Au! Verdammt, das tut weh! Idiot!“, beschwerte sich Corvus sogleich. „Irgendwie“, grinste Fusco breit, „Sieht es aus, als hätte dich ein Blutdämon unsauber ins Ohr gebissen.“ „Das ist nicht komisch!“, knurrte Corvus nun und wollte Fusco schon das Verbandszeug abnehmen. Fusco ließ dieses nicht zu und begann die Wunde so gut es möglich war zu verbinden: „Immer mit der Ruhe. Das wird ein modisches Kunstwerk.“ Da der Verband zu lang war, ließ Fusco ein Messer aus schwarzer Magie erscheinen. Dieses bildete sich aus einer Art dunklem Rauch, was man nur einige wenige Sekundenbruchteile sehen konnte. Dann hatte sich das Messer bereits in seiner Hand materialisiert. Er schnitt das Ende von dem Verband ab und machte dann einen Knoten, damit dieser an Ort und Stelle blieb. Er grinste: „Fertig und du siehst toll damit aus.“ Mit einer Hand betastete Corvus den Verband an seinem Ohr, einen Spiegel gab es hier nicht: „Scheint zu halten. Dann sollten wir jetzt zum Fürsten.“ Grinsend ging Fusco zur Tür: „Überlasse mir das Reden. Das ist besser. Du wirst dafür noch ein Gefühl bekommen.“ Es war allgemein bekannt, dass Satan ein Versagen hart bestrafte und nur selten darüber hinweg sah. Der Auftrag war erledigt, allerdings war das Fuscos Verdienst gewesen und nicht sein eigener. Es war ihm nur recht, dass Fusco das Reden übernehmen wollte. Vielleicht blieb ihm so eine größere Strafe erspart. Im Thronsaal knieten sich die beiden mit gesenktem Blick nieder. „Mein Fürst“, begann Fusco, „Corvus hat seinen Auftrag ausgezeichnet erfüllt. Er wird ein wahrlich starker Diener werden.“ „Gut“, antwortete Satan. Es war das einzige Lob, dass man von ihm je erwarten konnte: „Als sein Lehrmeister wirst du nun auch sein Kampfpartner, Fusco. Enttäusche mich nicht.“ „Das werde ich nicht, mein Fürst“, bestätigte Fusco untertänig. Ein Schnauben war zu hören: „Geht.“ Die beiden erhoben sich fast zeitgleich und verließen den Thronsaal. Corvus äußerte sich nicht zu Fuscos Lüge und folgte dem gut gelaunten Dämon durch die Gänge des Schlosses. Er scheint noch bessere Laune zu haben wie sonst. Freut er sich etwa so sehr darüber Satan belogen zu haben!? Das war ja nun wirklich nicht schwierig. „Morgen hast du sicher mehr Glück“, munterte Fusco ihn auf, „Wenn du erst mal mit deiner Fähigkeit umgehen kannst, geht es sicher schneller. Und dann bist du bald der Schrecken aller Verräter.“ „Ich werde besser werden und man wird mich fürchten. So eine Lachnummer wie du, werde ich sicher nicht“, entgegnete Corvus murrend. Lachend legte Fusco einen Arm um ihn, sodass seine Hand auf seiner Schulter ruhte: „Das würde mich auch schwer wundern. Du hast so gar keinen Humor.“ „Den brauche ich auch nicht“, meinte Corvus und blieb dann vor seinem Zimmer stehen, „Ich hau mich aufs Ohr.“ Mit diesen Worten öffnete er die Tür und schritt hinein. Fusco warf ihm nur einen kurzen Blick zu, ehe er seiner Wege ging: „Lass dich nicht von Albträumen ärgern. In zwei Stunden hole ich dich ab. Dann gehen wir deinen Geburtstag feiern.“ Murrend ging Corvus zu seinem Bett und ließ sich darauf fallen, um noch ein klein wenig schlafen zu können. Das frühe Aufstehen hatte ihm noch nie gefallen. Geburtstag feiern? Ich weiß, wie das die letzten paar Male ausgesehen hat und kann darauf verzichten. Erschrocken fuhr Corvus aus dem Bett hoch, als das trötende Geräusch neben seinem Ohr erklang. Neben ihm hockte Fusco, der breit grinste: „Lass uns Geburtstag feiern!“ Wütend schlug Corvus ihm mit der Faust ins Gesicht: „Hast du sie noch alle?“ Lachend fiel Fusco durch seinen Schlag zurück und hielt die bunte Geburtstagströte hoch: „Ich habe auch eine für dich.“ Dann fasste er sich ins Gesicht: „Du schlägst inzwischen schon härter zu.“ Murrend stand Corvus auf und riss Fusco die Tröte aus der Hand, nur um sie gleich auf den Boden zu schmeißen und zu zertreten: „Woher hast du dieses verdammte Ding.“ „Besorgt", entgegnete Fusco während er sich wieder auf rappelte, „Und es hat funktioniert. Du bist nun hellwach und wir können feiern gehen.“ Mit einem genervten Seufzen blickte er zu Fusco: „Wohin soll es gehen?“ Eine große Wahl hatte er eh nicht, dass wusste er aus vergangenen Geburtstagsfeiern. Allerdings hatten sie diese immer in der Hölle abgehalten. Nun wo Corvus die Hölle auch verlassen konnte, würde Fusco sicherlich einen anderen Ort bevorzugen. Mit den Händen klopfte sich kurz Fusco über seine Kleidung. Eine absolut unsinnige Geste, da er schon zuvor voller Staub und Asche gewesen war. Dabei ging ein breites Grinsen über Fuscos Gesicht, ehe er einfach mit Corvus in schwarzen Flammen verschwand und in einer für Corvus unbekannten Stadt wieder auftauchte: „Ich habe den perfekten Ort für deine Geburtstagsfeier. Es wird dir gefallen.“ „Das glaube ich erst, wenn ich es gesehen habe“, murrte Corvus, während er Fusco folgte. Die Häuser waren ziemlich herunter gekommen in diesem Stadtteil, aber daran störte sich keiner von beiden. Zwei Straßen weiter bog Fusco um die Ecke und blieb vor einem alten, baufälligen Lagerhaus stehen: „Da wären wir.“ Mit einem Ruck öffnete er die Tür, welche scheinbar etwas klemmte und schob Corvus mit Nachdruck in die Lagerhalle: „Hey… ich kann selbst laufen…“ Verblüfft verstummte er und blickte in die weiträumige Halle, welche mit Papiergirlanden, Luftballons Konfetti und Luftschlangen dekoriert war. In der Mitte stand ein Gartentisch aus Plastik, rechts und links davon ein Gartenstuhl im selben Design. Auf dem Tisch stand eine Schokoladentorte mit bunten Zuckerkugeln dekoriert, sowie zwei Papierteller und Plastikbesteck. Darunter standen zwei Wasserflaschen, nahe des einem Tischbeines. Noch nie zuvor hatte Corvus so etwas gesehen. Zum Geburtstag gab es immer ein Teelicht, wo der Wachs bereits durch die Temperaturen der Hölle weich war und ein Stück trockenen Schokoladenkuchen. Das hier übertraf alles, was er jemals erwartet hätte. Ehe Corvus etwas sagen konnte, hackte Fusco freudig nach: „Es gefällt dir oder? Natürlich gefällt es dir. Du musst die Schokoladentorte probieren. Das Beste, was du je gegessen hast. Darauf hast du mein Wort.“ „Wann hast du…? Was in aller Welt ist das alles?“, wollte Corvus nun wissen und ging dabei auf den Tisch zu, „Schokoladentorte?“ Grinsend setzte sich Fusco auf einen der beiden Stühle und schnitt mit dem Plastikmesser die Torte an: „Die beste Erfindung der Gewöhnlichen.“ Irgendwie schaffte Fusco es mit dem Plastikmesser und einer entsprechenden Gabel jeweils ein Tortenstück auf die Teller zu verteilen. Corvus setzte sich ihm gegenüber und stocherte skeptisch in dem Stück Torte herum: „Beste Erfindung? Ich weiß ja nicht.“ „Du musst sie probieren“, drängte Fusco ihn weiter, „Dann wirst du es verstehen.“ Immer noch nicht wirklich überzeugt, probierte Corvus ein Stückchen. Es war ganz anders, als der Schokoladenkuchen. Viel cremiger eigentlich musste man fast gar nicht kauen. „Essbar“, meinte Corvus schließlich und noch etwas davon. Breit grinsend auch Fusco sein Stück: „Also habe ich recht. Ich wusste es. Kein Kind verschmäht Schokoladentorte.“ „Raus aus dem Bett“, weckte Corvus eine wohl bekannte Stimme. Nachdem, wie er sich fühlte, konnte unmöglich schon wieder Morgen sein. Er hasste es früh aufzustehen, außerdem waren sie gestern noch eine ganze Weile in dem Lagerhaus geblieben. Entschlossen zog er sich die Bettdecke über den Kopf: „Lass mich in Ruhe.“ Lachend zog Fusco die Bettdecke weg: „Aufgestanden! Begrüße den neuen Tag!“ Murrend grub Corvus seinen Kopf in das Kissen, was recht schwierig war, da dieses kaum noch Federn hatte: „Solange Satan nicht nach mir verlangt, stehe ich nicht auf. Verschwinde!“ Zwei Hände packten Corvus, welche ihn mit einem Ruck nach oben zogen. „Lass das! Runter!“, schrie Corvus wütend und versuchte Zeitgleich nach Fusco zu schlagen und zu treten. Amüsiert ließ Fusco ihn wieder aufs Bett fallen: „Steh auf oder ich trage dich durch das ganze Schloss.“ Corvus warf Fusco einen zornigen Blick zu und richtete sich auf: „Ich hasse dich, Dämon.“ „Oh, ich hab dich auch lieb. Holen wir dir ein Frühstück“, erwiderte Fusco so gut gelaunt wie immer, „Sicherlich wird bald Satan nach uns verlangen. Da solltest du schon fit sein. Wir wollen doch nicht, dass uns so ein Missgeschick wie gestern passiert.“ Warum muss er mich gerade jetzt daran erinnern!? Ich weiß selbst, dass ich gestern gestorben wäre, wenn er mir nicht geholfen hätte. Dennoch ist das kein Grund mich so früh zu wecken. Außerdem wird mir das heute nicht noch mal passieren. Ich werde meinen Auftrag ohne seine Hilfe erfüllen. „Das wird nicht noch einmal passieren!“, betonte Corvus selbstsicher und ging zur Tür, „Sie werden mich fürchten lernen.“ Fusco folgte ihm zur Essensausgabe und blickte hier und dort zu einem Diener im Gang des Schlosses herüber. Sie alle waren hier, weil sie die Wahl selbst getroffen hatten. Dämonen hingegen waren von Geburt an dem Teufel verpflichtet. Es gab unzählige Legenden dazu, aber wie es tatsächlich dazu kam, weiß wohl niemand mehr. Als sie außerhalb des Schlosses durch die Dämonen gingen, bekamen sie die typischen abwertenden Blicke, die Fusco galten. Er grinste ihnen freundlich entgegen. Corvus interessierte das schon längst nicht mehr. Er wusste, dass Fusco kein Dämon wie die anderen war. Sein ganzes Verhalten widersprach dem eines Dämons. Noch nie hatte er Fusco gegen einen anderen Dämon kämpfen sehen, obwohl das normal war. Das hatte irgendwas mit ihrem Status zu tun. Die Stärksten bestimmten. Fusco gehört dazu ganz und gar nicht. „Fusco!“, erklang eine Stimme hinter ihnen. Ein anderer Dämon, ebenfalls ein Fuchs mit schwarz-weißer Fellzeichnung kam angelaufen: „Kann ich dich mal einen Moment sprechen?“ Corvus drehte sich nur halb um und ging dann einfach weiter seines Weges. Das interessierte ihn nicht. „Wir treffen uns in deinem Raum, Corvus“, rief Fusco ihm nach und ging dann mit dem anderen Dämon davon. Wie immer ging Corvus zur Essensausgabe. Er war schon öfter alleine hier gewesen. Wie viele andere Diener zog Corvus es vor sich nicht mit den Dämonen anzulegen und sich seinen Korb mit Brot einfach abzuholen. Es war zwar alt, aber es reichte zum Überleben. Ein schwarzer Wolf kam hinter ihm zur Essensausgabe und griff seinen Korb neben ihm: „Wenn das nicht der Sprössling des Verräters ist? Mal sehen, wie lange du es machst. Ich tippe darauf, dass du nicht mal 20 Jahre alt wirst.“ Knurrend blickte Corvus ihn an: „Und wer bist du?“ Lessus* , ich diene Satan schon seit Jahrhunderten. Etwas das du niemals übertreffen wirst“, selbstgefällig grinsend ging er mit seinem Korb davon. Auch Corvus nahm seinen Korb und folgte ihm mit etwas Abstand durch die Dämonen vor dem Schloss. Ich hoffe, dass du irgendwann auf die Liste der unnützen Diener kommst und ich dich vernichten darf. Es wird mir eine Freude sein. Im Schloss trennten sich ihre Wege und Corvus kehrte zu seinem Zimmer zurück. Den Korb stellte er auf dem Schreibtisch ab und setzte sich auf den Stuhl davor. Zuerst nahm er einen Schluck aus der Wasserflasche, ehe er sich etwas von dem Brot abriss und es aß. Fusco war noch nicht zurück. Wo Fusco wohl hin ist!? Ich habe noch nie mitbekommen, dass ihn irgendein anderer Dämon anspricht. Nicht mal, um ihn nur zu beleidigen. Soll mir aber auch egal sein. Die Tür ging auf und Fusco kam herein. Im ersten Augenblick sah er ernst aus, dann grinste er wie immer gut gelaunt: „Schmeckt?“ Murrend blickte Corvus ihn an: „Es ist das Gleiche wie jeden Tag. Wie soll das schon schmecken? Trocken, alt, aber sättigend.“ Lachend setzte sich Fusco auf das Bett und sah Corvus zum Frühstücken zu: „Heute schaffst du es bestimmt ohne meine Hilfe.“ „Ich brauche deinen Zuspruch nicht“, gab Corvus murrend zurück und noch einen Teil des Brotes, nahm einen Schluck Wasser und ließ den Rest auf dem Schreibtisch stehen, „Wenn ich meinen Gegner zu fassen kriege, ist er tot. So einfach ist das.“ Corvus sowie Fusco vernahmen telepathisch die Stimme des Fürsten. Er rief nach ihnen, was zwangsläufig bedeutete, dass es einen neuen Auftrag gab. „Das werden wir dann gleich sehen“, bestätige Fusco grinsend und stand auf. Auch Corvus erhob sich von seinem Stuhl, um gemeinsam mit Fusco zum Thronsaal zu gehen. Wie bei dem Tag zuvor knieten sie sich mit gesenktem Blick dort nieder. „Ihr habt gerufen, mein Fürst“, begann Corvus dieses Mal. Ein Schnauben war aus der Finsternis zu hören: „Sieh‘ mich an!“ Wie befohlen hob er den Kopf und blickte in die Dunkelheit, wo er den Fürsten vermutete. Irgendwas in ihm schien sich zu regen. Es war ein starkes Gefühl. Instinktiv versuchte es Corvus zurück zu drängen. Als Satan ihm die Informationen seines Auftrages übermittelte wurde es besonders schlimm, schließlich leuchtete sein gelbes Auge auf. Die Verbindung brach ab, ein wütendes Schnauben war zu hören und im nächsten Moment wurde Corvus von einer schwarzen Magiewelle getroffen und zurückgeschleudert. Es schmerzte, als er gegen die Wand prallte und zu Boden sackte. „Wie kannst du es wagen mich so anzusehen?“, erhob sich die Stimme des Fürsten zornig. „Vergebt ihn, mein Fürst“, mischte sich Fusco unterwürfig ein, „Es ist sein zweiter Tag. Das sollte ihm eine Lehre sein.“ Mühsam erhob sich Corvus und kniete sich wieder mit gesenktem Blick nieder: „Ich hatte nicht die Absicht euch zu verärgern, mein Fürst. Es wird nicht wieder vorkommen.“ „Sieh‘ mich an!“, forderte Satan ihn zornig auf. Man konnte hören, wie er sich vom Thron erhob. Dann kam er aus der tiefsten Finsternis hervor und ging auf Corvus zu. Ohne zu zögern blickte Corvus ihn an, dieses Mal direkt. Er spürte erneut dieses starke Gefühl und unterdrückte es mit aller Macht. Satan übermittelte ihm den Rest der Informationen für seinen Auftrag, wobei er direkt vor Corvus stand. Seinen Zorn über das Geschehene konnte man gerade zu spüren. Dann wand er sich von ihm ab und ging zurück in die Finsternis: „Geht!“ Corvus erhob sich: „Wie ihr wünscht, mein Fürst.“ Ebenso wie Fusco, der Corvus aus dem Thronsaal folgte. „Was war das?“, wollte Fusco gleich von ihm wissen, „Doch wohl keine weiße Magie.“ Knurrend blickte Corvus ihn an: „Was weiß ich? Lass mich einfach damit in Ruhe. Es ist nicht dein Problem!“ „Dann lass uns los deinen Auftrag erfüllen“, wechselte Fusco grinsend das Thema, „wohin soll es gehen?“ „Nach Collis, es ist wieder ein flüchtiger Diener“, antwortete Corvus noch verärgert. Mehr über sich selbst, als über Fusco. Das durfte ihm bei Satan einfach nicht wieder passieren. In schwarzem Feuer verschwand Fusco mit ihm auf die Insel Metallicus in die Stadt Collis. Nicht viele Städte existierten auf dieser Insel. Sie war sehr gebirgig und vom Festland abgeschnitten. Ein seltsamer Ort für eine Flucht, da die Suche hier nicht allzu schwierig war. Die Stadt war zwar relativ groß und viele Leute lebten dort, aber im Gegensatz zu vielen anderen Gebieten, lebte man hier recht altmodisch. Da Corvus noch nicht sonderlich viel von der Welt gesehen hatte, fiel ihm das gar nicht groß auf. Zwar merkte er, dass die Stadt anders wirkte, aber das war auch schon alles. Er blickte sich um und wählte eine Richtung: „Hier entlang.“ Fusco folgte ihm, wobei er sich selbst auch um blickte: „Ich habe gehört, hier soll es tolle Backwaren geben. Wir sollten welche mitnehmen.“ „Konzentriere dich!“, wies Corvus ihn zurecht und hielt nach dem Diener Ausschau. Es sollte ein grauer Waschbär sein mit der typischen schwarzen Fellzeichnung. Außerdem hatte er eine Narbe über dem rechten Auge. Alles was Corvus auffiel waren die seltsamen Blicke der Leute, was nicht verwunderlich war. Der ganze Staub und die Asche, welche an ihnen klebte, wirkten nicht gerade einladend. Fusco blieb an einem Schaufenster stehen, wo allerlei Süßigkeiten angeboten wurden: „Wir sollten welche mitnehmen. Das ist sicher besser als das alte Brot.“ Für solche Dinge hatte Corvus nichts übrig und ging einfach weiter durch die Menge. Er erblickte den Waschbären bei zwei jungen Damen. Hinterrücks schlich er um diese herum und griff in die Handtasche um den Geldbeutel zu stehlen. Corvus versuchte sich langsam auf ihn zu zu bewegen. Sofern er nicht bemerkt werden würde, hätte er leichtes Spiel. Als der Diener den Geldbeutel erfolgreich eingesteckt hatte, ging er eiligen Schrittes davon. Auch Corvus beschleunigte seine Schritte, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Hat er mich bemerkt oder versucht er nur wegen seinem Diebstahl unentdeckt zu bleiben? Wie es aussieht, werde ich das ohne Fusco schaffen müssen. Dieser unnütze Dämon ist einfach zurückgeblieben. Der Waschbär blickte hinter sich und entdeckte Corvus. Sofort ging er ins Rennen über und versuchte ihn abzuhängen. „Mist!“, fluchte Corvus und rannte ebenfalls los. Dabei hatte er so versucht unbemerkt zu bleiben. Die Passanten auf der Straße wichen erschrocken beiseite und riefen ihnen sogar verärgert hinterher. Corvus kümmerte das nicht. Sollten sie doch machen, was sie wollten. Der flüchtige Diener rannte knapp an einem schwarzen Wolf vorbei und dann um die Ecke in die nächste Straße. Der Wolf drehte sich genervt um, als Corvus in ihn hinein rannte. Er hatte nicht mehr rechtzeitig stoppen können und fiel unsanft zu Boden, dabei knurrte er: „Verdammt.“ Der Wolf knurrte ihn verärgert an: „Pass doch auf, wo du hin rennst.“ Hastig richtete sich Corvus auf: „Dann steh doch einfach nicht im Weg.“ „Sei nicht so vorlaut“, erwiderte der Wolf verärgert, jedoch rannte Corvus gleich weiter in der Hoffnung den Waschbären noch einholen zu können: „Geh mir nicht auf die Nerven.“ Ein weiterer schwarzer Wolf kam aus dem Gebäck laden dahinter. Corvus nahm ihn nur noch aus dem Augenwinkel war und konzentrierte sich wieder auf sein eigentliches Ziel. Wenn er Glück hatte, wäre der Diener irgendwo in der Nähe stehen geblieben im Glauben in Sicherheit zu sein. Hektisch blickte sich Corvus überall um und folgte weiter der Straße: „Verdammt, wo ist er hin?“ Jemand tippte ihn von hinten an. Angespannt wirbelte Corvus herum und erblickte Fusco: „Wo warst du? Er ist mir entwischt.“ Fusco hielt ihm eine Papiertüte hin: „Probiere mal. Die sind echt gut.“ Die Tüte war mit allerlei Süßigkeiten gefüllt in den verschiedensten Farben und Formen. Knurrend blickte Corvus ihn an: „Hilf mir lieber suchen! Als dich mit diesem Unsinn zu beschäftigen.“ Stattdessen griff Fusco noch mal in die Tüte und steckte sich ein rotes Dreieck mit viel Zucker drum herum in den Mund: „Wo hast du ihn das letzte Mal gesehen? Hat er sich teleportiert?“ Genervt zeigte Corvus in die Richtung aus der er gekommen war: „Da hinten. Ich sah nur, wie er um die Ecke bog. Danach habe ich ihn aus den Augen verloren.“ „Also dort…“, meinte Fusco Gedanken versunken und steckte sich ein buntes Bonbon in den Mund, welches er aus der Tüte geholt hatte. Man konnte hören, wie er es zerkaute, statt es zu lutschen: „Dann ist er wohl weg.“ Er grinste: „Genießen wir stattdessen die Süßigkeiten. Es bringt nichts ihn weiter zu suchen. Der ist über alle Berge.“ „Satan war schon wütend!“, erinnerte ihn Corvus erbost, „Das wird ihm gar nicht gefallen.“ „Ich nehme die Schuld auf mich“, versuchte Fusco ihn zu beruhigen, „entspanne dich. Wir essen die Süßigkeiten noch auf und gehen dann runter. Alles halb so wild.“ Er klopfte ihm grinsend auf die Schulter: „Du musst entspannter werden. So verkrampft gewinnst du keinen Kampf.“ Corvus verschränkte unzufrieden die Arme: „Beeile dich. Es ist so schon schlimm genug.“ Fusco dachte nicht daran sich deswegen zu beeilen, dafür waren die Süßigkeiten in seinen Augen viel zu kostbar. Das musste man genießen. Ungeduldig blickte Corvus ihn an bis Fusco schließlich das letzte Stück in seinen Mund gesteckt hatte. Grinsend knüllte er die Papiertüte zusammen und warf sie mit Schwung in den nächsten Mülleimer: „Jetzt können wir.“ In schwarzem Feuer verschwanden die beiden und tauchten in der Eingangshalle des Schlosses wieder auf. Als Erstes betrat Fusco den Thronsaal, gefolgt von Corvus, welche sich beide niederknieten und den Blick senkten. Irgendwie war Corvus auch froh, dass man in der Regel nicht aufblicken musste. Das hätte ihm nur noch mehr Probleme bereitet. „Mein Fürst“, begann Fusco, „ich habe unglücklicher Weise den flüchtigen Diener auf uns aufmerksam gemacht und er ist verschwunden. Verzeiht mir diesen unnötigen Fehler.“ Man hörte, wie die Krallen über etwas herüber kratzten sowie ein verärgertes Schnauben: „Tötet diesen Diener!“ Auf telepathischem Wege erhielt Corvus die neuen Informationen zum Standort: „Wie ihr wünscht, mein Fürst.“ „Geht“, befahl der Fürst, ehe die beiden sich erhoben, „Und ich dulde keinen weiteren Fehler!“ Sie verließen den Thronsaal und Corvus atmete leise auf. Dieses Mal darf er mir nicht entwischen, sonst wird Satan mich noch töten. Fuscos verdammtes Glück wird mich nicht ewig schützen können.

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Teil 3 - Die Krähe im Wolfspelz
Die Prophezeiung des Lichts Die Prophezeiung des Lichts
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Die Prophezeiung des Lichts - Teil 3 - Die Krähe im Wolfspelz
Kapitel 2 - Aus der Dunkelheit ins Licht Fusco stand vor der Tür von Corvus Zimmer und wollte diesen nicht hin auslassen: „Noch einmal. Du folgst mir, kniest dich neben mir nieder, senkst den Kopf und lässt mich sprechen. Erst wenn er dich anspricht, meldest du dich zu Wort. Weißt du was für eine Fähigkeit, du dir wünscht?“ „Ja, verdammt“, knurrte Corvus, „Wenn du dich noch einmal wiederholst, bist du mein erstes Opfer.“ Breit grinste Fusco ihn an: „Wenn wir mit dem Auftrag durch sind, gehen wir deinen Geburtstag feiern. Das erste Mal nicht in der Hölle und da es ein runder Geburtstag ist, muss man auch richtig feiern. Man wird nur einmal 10.“ Seufzend blickte Corvus ihn an: „Können wir dann endlich? Wegen dir Idiot kriegen wir noch Ärger.“ „Mein Kleiner ist so erwachsen geworden“, grinste Fusco ihn stolz an, „Nun ziehst du schon los in die weite Welt.“ Er ging dann von der Tür weg und öffnete diese, um dann voraus zu gehen. Ruhigen Schrittes folgte Corvus ihm durch den Gang zum Thronsaal. Endlich ist es soweit. Die Welt jenseits der Hölle wird mich kennen lernen. Wie es üblich war, ging Fusco bis etwa zur Mitte des Thronsaales, kniete sich nieder und senkte den Blick. Eigentlich ein unnötiges Unterfangen, da man sowieso nichts sehen konnte. Nur einige Schritte hinter ihm, kam auch Corvus in den Thronsaal, um sich neben Fusco auf die gleiche Weise niederzuknien. „Mein Fürst, Corvus ist soweit“, verkündete Fusco, wobei er ernst klang und seine sonst so heitere Stimmung nicht zu vernehmen war. Ein Schnauben war aus der Finsternis zu vernehmen: „Nenne mir die Fähigkeit, Corvus.“ Jeder Diener musste sich eine Fähigkeit aussuchen, die ihm im Kampf nützlich wäre. Corvus‘ Familie war seit Generationen dem Teufel verpflichtet und jeder äußerte seinen Fähigkeitswunsch an seinem 10. Geburtstag. Andere Diener waren nicht seit Geburt an in diesem Pakt gefangen, sondern kamen aus mehr oder weniger freien Stücken, um sich einen Wunsch erfüllen zu lassen. Oftmals ging es um Unsterblichkeit, das Leben seiner oder ihrer großen Liebe oder aber um Reichtum. Dafür mussten sie dem Teufel dienen bis zu ihrem Tod. Alles was Corvus hatte, war die Wahl der Fähigkeit, die ebenfalls alle anderen Diener trafen. „Lasst mich durch bloße Berührung töten, mein Fürst“, wand sich Corvus an den Teufel. Einen Moment herrschte Schweigen: „Du wirst unnütze und flüchtige Diener jagen, somit brauchst du die Fähigkeit lediglich dafür.“ Eine schwarze Aura umhüllte Corvus, wurde blutrot und dann grau, ehe sie wie Rauch in ihm verschwand. „‘Concremo‘ und ‚Caedes‘ sind die beiden Befehle, um deine Fähigkeit auszulösen“, erklärte Satan ihm beiläufig, ehe er ihm auf telepathischem Wege seinen ersten Auftrag übermittelte. Wie bereits vom Fürsten angekündigt, war Corvus‘ Ziel ein Diener und er sollte ihn töten. Das Aussehen wurde Corvus bildhaft übermittelt, sowie die Information zum Standort. „Geht“, befahl Satan. Die beiden erhoben sich. „Wie ihr wünscht, mein Fürst“, bestätigte Corvus seinen Auftrag und verließ mit Fusco den Thronsaal. In der Halle war Fusco ganz aufgeregt: „Wohin geht es? Wer ist dein Ziel? Du hast das wirklich gut gemacht.“ Murrend blickte Corvus ihn an: „Nach Secreto, ich soll eine Ozelot- Dame ausschalten.“ Da Corvus noch keinerlei Erfahrung mit der Teleportation aus der Hölle heraus hatte sowie sich nicht sonderlich aus kannte, übernahm Fusco das. Sie verschwanden in schwarzen Flammen, wie es für Dämonen typisch war und tauchten in der Stadt Secreto wieder auf. Schützend hielt Corvus sich seine Hand vor die Augen. Das grelle Licht der Sonne blendete ihn und die kühle Luft, ließ ihn im ersten Augenblick frösteln: „Das ist also die Welt der Lebenden?“ Lachend drehte sich Fusco im Kreis und breitete dabei die Arme aus: „Ist sie nicht wunderschön? Nimm einen tiefen Zug von der guten Luft. Das ist wie Balsam für deine Lungen.“ Langsam gewöhnten sich Corvus‘ Augen an das Licht und er senkte die Hand: „Konzentrieren wir uns auf den Auftrag.“ Abrupt blieb Fusco in seiner Drehung stehen und blickte in den Himmel: „Viel helfen darf ich dir beim ersten Mal nicht, aber…“ Er grinste breit: „Das weiß der Teufel ja eh nicht, wenn wir beide die Klappe halten.“ Einige Leute auf der Straße blieben stehen und blickten zu ihnen herüber. Es wurde getuschelt. Als Corvus ihnen einen zornigen Blick herüber warf, gingen sie weiter. Das würde schwieriger werden als angenommen. Die vielen Gebäude, Objekte und Passanten versprachen viele Versteckmöglichkeiten. Ich hatte mir die Stadt anders vorgestellt. Aus Fuscos Beschreibungen konnte auch keiner schlau werden. Wo fange ich am besten mit der Suche an? Langsam schlenderte Fusco zum nächsten Schaufenster und betrachtete die dort ausgestellten Küchenmöbel. Fragend folgte Corvus ihm und blickte in den Laden: „Hast du was bemerkt?“ Grinsend sah Fusco ihn an: „Nein, ich schau mir nur den neuen Einrichtungstrend an.“ Murrend wand sich Corvus von ihm ab und beschloss einfach in eine Richtung los zu laufen. Irgendwas würde sich schon ergeben. Dabei musterte er seine Umgebung. Ob Fusco ihm folgte oder nicht, war ihm egal. Es war sein Auftrag und er würde es ganz alleine schaffen. „Corvus! Warte!“, rief Fusco ihm nach und holte schnell wieder auf, „Du weißt gar nicht, was du verpasst.“ „Ich verpasse gleich dir eine!“, knurrte er nun, um unmissverständlich klar zu machen, dass ihm Fuscos Vorgehensweise sehr missfiel. „Komm schon, Corvus“, meinte Fusco grinsend, „Habe doch mal etwas Spaß.“ „Das…“, er blickte an Fusco vorbei, „Da ist sie.“ Sofort rannte Corvus los, auf die flüchtige Dienerin zu, dabei rempelte er einige der Passanten an, was ihn jedoch nicht sonderlich interessierte. Er wollte möglichst schnell an sie heran. Verwundert drehte sie sich in seine Richtung und erblickte Fusco, welcher ihm folgte. Kurz darauf nahm sie auch Corvus war und grinste hinterhältig: „Da werde ich Satan mal um seinen neuen Diener erleichtern.“ Die Ozelot- Dame trug Halbhandschuhe, welche mit Metall verstärkt worden waren, sowie den Unterarm fast komplett bedeckten. Ihr bräunlicher Ledermantel und die dunkle, zerfranste Kleidung ließen sie doch sehr auffallend in er Menge wirken. Da sie Corvus eh bereits bemerkt hatte, schoss dieser nun mit schwarzen Magiekugeln nach ihr. Geschickt wich sie diesen aus und lachte: „Wie niedlich. Komm schon her, Kleiner.“ Das ließ sich Corvus nicht zweimal sagen und rannte direkt auf sie zu. Eine Berührung und ein Wort würden ausreichen, wenn die Fähigkeit so war, wie Corvus erwartete. Die Dienerin packte ihn, ehe er weiter denken konnte, drehte sich schwungvoll mit ihm, sodass er gegen die Häuserwand krachte. Geistesgegenwärtig wollte Corvus nach ihr greifen, bemerkte aber noch die Faust, die sie ihm ins Gesicht donnern wollte. Gerade so, versuchte er sich weg zu ducken und schrie auf. Die Faust hatte sein rechtes Ohr getroffen und irgendwas bohrte sich dort hinein. Aus dem Handschuhrücken waren zwei winzig kleine Dolchspitzen geschossen. Reflexartig riss er sich von ihr los und erneuter Schmerz durch fuhr die Stelle. Lachend wollte sie gleich noch einmal zuschlagen, bekam dann jedoch einen gezielten Schlag von Fusco im Nacken zu spüren. In Sekundenbruchteilen wurde ihr schwarz vor Augen und sie brach am Boden zusammen. Die meisten Leute hatten das Weite gesucht oder beobachteten das Geschehen aus sicherer Entfernung. Fusco blickte zu Corvus, dem Blut von seinem Ohr tropfte auf seine Schulter hinab: „Bring es zu Ende.“ Schmerzend fasste er sich an die Stelle am Ohr. Mit blutigen Fingern ging er auf die am Boden liegende Dienerin zu, kniete sich zu ihr herunter und berührte sie: „Concremo!“ Kaum hatte er es ausgesprochen, ging ihr Körper in Rauch auf und nichts als Asche blieb. Das ist sie also, meine Fähigkeit. Ob mit Caedes etwas anders passiert!? Das werde ich noch herausfinden. Fusco verschwand mit Corvus in schwarzen Flammen, zurück in die Hölle. Allerdings tauchten sie direkt vor Corvus‘ Zimmer auf. „Versorgen wir deine erste Kampfwunde“, meinte Fusco grinsend und drängte Corvus in den Raum. Vorsorglich hatte Fusco bereits einige Verbände in er Schublade des Schreibtisches verstaut. Eine davon holte er hinaus und sah sich dann Corvus‘ Wunde am Ohr an. „Schau nicht so viel und verbinde sie endlich“, murrte Corvus, dem das gar nicht passte. Er hatte nicht gut genug aufgepasst und schon bei seinem ersten Auftrag versagt. Hätte Fusco sich nicht eingemischt, wer wusste schon, wie das ausgegangen wäre. Grinsend zupfte Fusco leicht an dem Ohr herum. „Au! Verdammt, das tut weh! Idiot!“, beschwerte sich Corvus sogleich. „Irgendwie“, grinste Fusco breit, „Sieht es aus, als hätte dich ein Blutdämon unsauber ins Ohr gebissen.“ „Das ist nicht komisch!“, knurrte Corvus nun und wollte Fusco schon das Verbandszeug abnehmen. Fusco ließ dieses nicht zu und begann die Wunde so gut es möglich war zu verbinden: „Immer mit der Ruhe. Das wird ein modisches Kunstwerk.“ Da der Verband zu lang war, ließ Fusco ein Messer aus schwarzer Magie erscheinen. Dieses bildete sich aus einer Art dunklem Rauch, was man nur einige wenige Sekundenbruchteile sehen konnte. Dann hatte sich das Messer bereits in seiner Hand materialisiert. Er schnitt das Ende von dem Verband ab und machte dann einen Knoten, damit dieser an Ort und Stelle blieb. Er grinste: „Fertig und du siehst toll damit aus.“ Mit einer Hand betastete Corvus den Verband an seinem Ohr, einen Spiegel gab es hier nicht: „Scheint zu halten. Dann sollten wir jetzt zum Fürsten.“ Grinsend ging Fusco zur Tür: „Überlasse mir das Reden. Das ist besser. Du wirst dafür noch ein Gefühl bekommen.“ Es war allgemein bekannt, dass Satan ein Versagen hart bestrafte und nur selten darüber hinweg sah. Der Auftrag war erledigt, allerdings war das Fuscos Verdienst gewesen und nicht sein eigener. Es war ihm nur recht, dass Fusco das Reden übernehmen wollte. Vielleicht blieb ihm so eine größere Strafe erspart. Im Thronsaal knieten sich die beiden mit gesenktem Blick nieder. „Mein Fürst“, begann Fusco, „Corvus hat seinen Auftrag ausgezeichnet erfüllt. Er wird ein wahrlich starker Diener werden.“ „Gut“, antwortete Satan. Es war das einzige Lob, dass man von ihm je erwarten konnte: „Als sein Lehrmeister wirst du nun auch sein Kampfpartner, Fusco. Enttäusche mich nicht.“ „Das werde ich nicht, mein Fürst“, bestätigte Fusco untertänig. Ein Schnauben war zu hören: „Geht.“ Die beiden erhoben sich fast zeitgleich und verließen den Thronsaal. Corvus äußerte sich nicht zu Fuscos Lüge und folgte dem gut gelaunten Dämon durch die Gänge des Schlosses. Er scheint noch bessere Laune zu haben wie sonst. Freut er sich etwa so sehr darüber Satan belogen zu haben!? Das war ja nun wirklich nicht schwierig. „Morgen hast du sicher mehr Glück“, munterte Fusco ihn auf, „Wenn du erst mal mit deiner Fähigkeit umgehen kannst, geht es sicher schneller. Und dann bist du bald der Schrecken aller Verräter.“ „Ich werde besser werden und man wird mich fürchten. So eine Lachnummer wie du, werde ich sicher nicht“, entgegnete Corvus murrend. Lachend legte Fusco einen Arm um ihn, sodass seine Hand auf seiner Schulter ruhte: „Das würde mich auch schwer wundern. Du hast so gar keinen Humor.“ „Den brauche ich auch nicht“, meinte Corvus und blieb dann vor seinem Zimmer stehen, „Ich hau mich aufs Ohr.“ Mit diesen Worten öffnete er die Tür und schritt hinein. Fusco warf ihm nur einen kurzen Blick zu, ehe er seiner Wege ging: „Lass dich nicht von Albträumen ärgern. In zwei Stunden hole ich dich ab. Dann gehen wir deinen Geburtstag feiern.“ Murrend ging Corvus zu seinem Bett und ließ sich darauf fallen, um noch ein klein wenig schlafen zu können. Das frühe Aufstehen hatte ihm noch nie gefallen. Geburtstag feiern? Ich weiß, wie das die letzten paar Male ausgesehen hat und kann darauf verzichten. Erschrocken fuhr Corvus aus dem Bett hoch, als das trötende Geräusch neben seinem Ohr erklang. Neben ihm hockte Fusco, der breit grinste: „Lass uns Geburtstag feiern!“ Wütend schlug Corvus ihm mit der Faust ins Gesicht: „Hast du sie noch alle?“ Lachend fiel Fusco durch seinen Schlag zurück und hielt die bunte Geburtstagströte hoch: „Ich habe auch eine für dich.“ Dann fasste er sich ins Gesicht: „Du schlägst inzwischen schon härter zu.“ Murrend stand Corvus auf und riss Fusco die Tröte aus der Hand, nur um sie gleich auf den Boden zu schmeißen und zu zertreten: „Woher hast du dieses verdammte Ding.“ „Besorgt", entgegnete Fusco während er sich wieder auf rappelte, „Und es hat funktioniert. Du bist nun hellwach und wir können feiern gehen.“ Mit einem genervten Seufzen blickte er zu Fusco: „Wohin soll es gehen?“ Eine große Wahl hatte er eh nicht, dass wusste er aus vergangenen Geburtstagsfeiern. Allerdings hatten sie diese immer in der Hölle abgehalten. Nun wo Corvus die Hölle auch verlassen konnte, würde Fusco sicherlich einen anderen Ort bevorzugen. Mit den Händen klopfte sich kurz Fusco über seine Kleidung. Eine absolut unsinnige Geste, da er schon zuvor voller Staub und Asche gewesen war. Dabei ging ein breites Grinsen über Fuscos Gesicht, ehe er einfach mit Corvus in schwarzen Flammen verschwand und in einer für Corvus unbekannten Stadt wieder auftauchte: „Ich habe den perfekten Ort für deine Geburtstagsfeier. Es wird dir gefallen.“ „Das glaube ich erst, wenn ich es gesehen habe“, murrte Corvus, während er Fusco folgte. Die Häuser waren ziemlich herunter gekommen in diesem Stadtteil, aber daran störte sich keiner von beiden. Zwei Straßen weiter bog Fusco um die Ecke und blieb vor einem alten, baufälligen Lagerhaus stehen: „Da wären wir.“ Mit einem Ruck öffnete er die Tür, welche scheinbar etwas klemmte und schob Corvus mit Nachdruck in die Lagerhalle: „Hey… ich kann selbst laufen…“ Verblüfft verstummte er und blickte in die weiträumige Halle, welche mit Papiergirlanden, Luftballons Konfetti und Luftschlangen dekoriert war. In der Mitte stand ein Gartentisch aus Plastik, rechts und links davon ein Gartenstuhl im selben Design. Auf dem Tisch stand eine Schokoladentorte mit bunten Zuckerkugeln dekoriert, sowie zwei Papierteller und Plastikbesteck. Darunter standen zwei Wasserflaschen, nahe des einem Tischbeines. Noch nie zuvor hatte Corvus so etwas gesehen. Zum Geburtstag gab es immer ein Teelicht, wo der Wachs bereits durch die Temperaturen der Hölle weich war und ein Stück trockenen Schokoladenkuchen. Das hier übertraf alles, was er jemals erwartet hätte. Ehe Corvus etwas sagen konnte, hackte Fusco freudig nach: „Es gefällt dir oder? Natürlich gefällt es dir. Du musst die Schokoladentorte probieren. Das Beste, was du je gegessen hast. Darauf hast du mein Wort.“ „Wann hast du…? Was in aller Welt ist das alles?“, wollte Corvus nun wissen und ging dabei auf den Tisch zu, „Schokoladentorte?“ Grinsend setzte sich Fusco auf einen der beiden Stühle und schnitt mit dem Plastikmesser die Torte an: „Die beste Erfindung der Gewöhnlichen.“ Irgendwie schaffte Fusco es mit dem Plastikmesser und einer entsprechenden Gabel jeweils ein Tortenstück auf die Teller zu verteilen. Corvus setzte sich ihm gegenüber und stocherte skeptisch in dem Stück Torte herum: „Beste Erfindung? Ich weiß ja nicht.“ „Du musst sie probieren“, drängte Fusco ihn weiter, „Dann wirst du es verstehen.“ Immer noch nicht wirklich überzeugt, probierte Corvus ein Stückchen. Es war ganz anders, als der Schokoladenkuchen. Viel cremiger eigentlich musste man fast gar nicht kauen. „Essbar“, meinte Corvus schließlich und noch etwas davon. Breit grinsend auch Fusco sein Stück: „Also habe ich recht. Ich wusste es. Kein Kind verschmäht Schokoladentorte.“ „Raus aus dem Bett“, weckte Corvus eine wohl bekannte Stimme. Nachdem, wie er sich fühlte, konnte unmöglich schon wieder Morgen sein. Er hasste es früh aufzustehen, außerdem waren sie gestern noch eine ganze Weile in dem Lagerhaus geblieben. Entschlossen zog er sich die Bettdecke über den Kopf: „Lass mich in Ruhe.“ Lachend zog Fusco die Bettdecke weg: „Aufgestanden! Begrüße den neuen Tag!“ Murrend grub Corvus seinen Kopf in das Kissen, was recht schwierig war, da dieses kaum noch Federn hatte: „Solange Satan nicht nach mir verlangt, stehe ich nicht auf. Verschwinde!“ Zwei Hände packten Corvus, welche ihn mit einem Ruck nach oben zogen. „Lass das! Runter!“, schrie Corvus wütend und versuchte Zeitgleich nach Fusco zu schlagen und zu treten. Amüsiert ließ Fusco ihn wieder aufs Bett fallen: „Steh auf oder ich trage dich durch das ganze Schloss.“ Corvus warf Fusco einen zornigen Blick zu und richtete sich auf: „Ich hasse dich, Dämon.“ „Oh, ich hab dich auch lieb. Holen wir dir ein Frühstück“, erwiderte Fusco so gut gelaunt wie immer, „Sicherlich wird bald Satan nach uns verlangen. Da solltest du schon fit sein. Wir wollen doch nicht, dass uns so ein Missgeschick wie gestern passiert.“ Warum muss er mich gerade jetzt daran erinnern!? Ich weiß selbst, dass ich gestern gestorben wäre, wenn er mir nicht geholfen hätte. Dennoch ist das kein Grund mich so früh zu wecken. Außerdem wird mir das heute nicht noch mal passieren. Ich werde meinen Auftrag ohne seine Hilfe erfüllen. „Das wird nicht noch einmal passieren!“, betonte Corvus selbstsicher und ging zur Tür, „Sie werden mich fürchten lernen.“ Fusco folgte ihm zur Essensausgabe und blickte hier und dort zu einem Diener im Gang des Schlosses herüber. Sie alle waren hier, weil sie die Wahl selbst getroffen hatten. Dämonen hingegen waren von Geburt an dem Teufel verpflichtet. Es gab unzählige Legenden dazu, aber wie es tatsächlich dazu kam, weiß wohl niemand mehr. Als sie außerhalb des Schlosses durch die Dämonen gingen, bekamen sie die typischen abwertenden Blicke, die Fusco galten. Er grinste ihnen freundlich entgegen. Corvus interessierte das schon längst nicht mehr. Er wusste, dass Fusco kein Dämon wie die anderen war. Sein ganzes Verhalten widersprach dem eines Dämons. Noch nie hatte er Fusco gegen einen anderen Dämon kämpfen sehen, obwohl das normal war. Das hatte irgendwas mit ihrem Status zu tun. Die Stärksten bestimmten. Fusco gehört dazu ganz und gar nicht. „Fusco!“, erklang eine Stimme hinter ihnen. Ein anderer Dämon, ebenfalls ein Fuchs mit schwarz-weißer Fellzeichnung kam angelaufen: „Kann ich dich mal einen Moment sprechen?“ Corvus drehte sich nur halb um und ging dann einfach weiter seines Weges. Das interessierte ihn nicht. „Wir treffen uns in deinem Raum, Corvus“, rief Fusco ihm nach und ging dann mit dem anderen Dämon davon. Wie immer ging Corvus zur Essensausgabe. Er war schon öfter alleine hier gewesen. Wie viele andere Diener zog Corvus es vor sich nicht mit den Dämonen anzulegen und sich seinen Korb mit Brot einfach abzuholen. Es war zwar alt, aber es reichte zum Überleben. Ein schwarzer Wolf kam hinter ihm zur Essensausgabe und griff seinen Korb neben ihm: „Wenn das nicht der Sprössling des Verräters ist? Mal sehen, wie lange du es machst. Ich tippe darauf, dass du nicht mal 20 Jahre alt wirst.“ Knurrend blickte Corvus ihn an: „Und wer bist du?“ Lessus* , ich diene Satan schon seit Jahrhunderten. Etwas das du niemals übertreffen wirst“, selbstgefällig grinsend ging er mit seinem Korb davon. Auch Corvus nahm seinen Korb und folgte ihm mit etwas Abstand durch die Dämonen vor dem Schloss. Ich hoffe, dass du irgendwann auf die Liste der unnützen Diener kommst und ich dich vernichten darf. Es wird mir eine Freude sein. Im Schloss trennten sich ihre Wege und Corvus kehrte zu seinem Zimmer zurück. Den Korb stellte er auf dem Schreibtisch ab und setzte sich auf den Stuhl davor. Zuerst nahm er einen Schluck aus der Wasserflasche, ehe er sich etwas von dem Brot abriss und es aß. Fusco war noch nicht zurück. Wo Fusco wohl hin ist!? Ich habe noch nie mitbekommen, dass ihn irgendein anderer Dämon anspricht. Nicht mal, um ihn nur zu beleidigen. Soll mir aber auch egal sein. Die Tür ging auf und Fusco kam herein. Im ersten Augenblick sah er ernst aus, dann grinste er wie immer gut gelaunt: „Schmeckt?“ Murrend blickte Corvus ihn an: „Es ist das Gleiche wie jeden Tag. Wie soll das schon schmecken? Trocken, alt, aber sättigend.“ Lachend setzte sich Fusco auf das Bett und sah Corvus zum Frühstücken zu: „Heute schaffst du es bestimmt ohne meine Hilfe.“ „Ich brauche deinen Zuspruch nicht“, gab Corvus murrend zurück und noch einen Teil des Brotes, nahm einen Schluck Wasser und ließ den Rest auf dem Schreibtisch stehen, „Wenn ich meinen Gegner zu fassen kriege, ist er tot. So einfach ist das.“ Corvus sowie Fusco vernahmen telepathisch die Stimme des Fürsten. Er rief nach ihnen, was zwangsläufig bedeutete, dass es einen neuen Auftrag gab. „Das werden wir dann gleich sehen“, bestätige Fusco grinsend und stand auf. Auch Corvus erhob sich von seinem Stuhl, um gemeinsam mit Fusco zum Thronsaal zu gehen. Wie bei dem Tag zuvor knieten sie sich mit gesenktem Blick dort nieder. „Ihr habt gerufen, mein Fürst“, begann Corvus dieses Mal. Ein Schnauben war aus der Finsternis zu hören: „Sieh‘ mich an!“ Wie befohlen hob er den Kopf und blickte in die Dunkelheit, wo er den Fürsten vermutete. Irgendwas in ihm schien sich zu regen. Es war ein starkes Gefühl. Instinktiv versuchte es Corvus zurück zu drängen. Als Satan ihm die Informationen seines Auftrages übermittelte wurde es besonders schlimm, schließlich leuchtete sein gelbes Auge auf. Die Verbindung brach ab, ein wütendes Schnauben war zu hören und im nächsten Moment wurde Corvus von einer schwarzen Magiewelle getroffen und zurückgeschleudert. Es schmerzte, als er gegen die Wand prallte und zu Boden sackte. „Wie kannst du es wagen mich so anzusehen?“, erhob sich die Stimme des Fürsten zornig. „Vergebt ihn, mein Fürst“, mischte sich Fusco unterwürfig ein, „Es ist sein zweiter Tag. Das sollte ihm eine Lehre sein.“ Mühsam erhob sich Corvus und kniete sich wieder mit gesenktem Blick nieder: „Ich hatte nicht die Absicht euch zu verärgern, mein Fürst. Es wird nicht wieder vorkommen.“ „Sieh‘ mich an!“, forderte Satan ihn zornig auf. Man konnte hören, wie er sich vom Thron erhob. Dann kam er aus der tiefsten Finsternis hervor und ging auf Corvus zu. Ohne zu zögern blickte Corvus ihn an, dieses Mal direkt. Er spürte erneut dieses starke Gefühl und unterdrückte es mit aller Macht. Satan übermittelte ihm den Rest der Informationen für seinen Auftrag, wobei er direkt vor Corvus stand. Seinen Zorn über das Geschehene konnte man gerade zu spüren. Dann wand er sich von ihm ab und ging zurück in die Finsternis: „Geht!“ Corvus erhob sich: „Wie ihr wünscht, mein Fürst.“ Ebenso wie Fusco, der Corvus aus dem Thronsaal folgte. „Was war das?“, wollte Fusco gleich von ihm wissen, „Doch wohl keine weiße Magie.“ Knurrend blickte Corvus ihn an: „Was weiß ich? Lass mich einfach damit in Ruhe. Es ist nicht dein Problem!“ „Dann lass uns los deinen Auftrag erfüllen“, wechselte Fusco grinsend das Thema, „wohin soll es gehen?“ „Nach Collis, es ist wieder ein flüchtiger Diener“, antwortete Corvus noch verärgert. Mehr über sich selbst, als über Fusco. Das durfte ihm bei Satan einfach nicht wieder passieren. In schwarzem Feuer verschwand Fusco mit ihm auf die Insel Metallicus in die Stadt Collis. Nicht viele Städte existierten auf dieser Insel. Sie war sehr gebirgig und vom Festland abgeschnitten. Ein seltsamer Ort für eine Flucht, da die Suche hier nicht allzu schwierig war. Die Stadt war zwar relativ groß und viele Leute lebten dort, aber im Gegensatz zu vielen anderen Gebieten, lebte man hier recht altmodisch. Da Corvus noch nicht sonderlich viel von der Welt gesehen hatte, fiel ihm das gar nicht groß auf. Zwar merkte er, dass die Stadt anders wirkte, aber das war auch schon alles. Er blickte sich um und wählte eine Richtung: „Hier entlang.“ Fusco folgte ihm, wobei er sich selbst auch um blickte: „Ich habe gehört, hier soll es tolle Backwaren geben. Wir sollten welche mitnehmen.“ „Konzentriere dich!“, wies Corvus ihn zurecht und hielt nach dem Diener Ausschau. Es sollte ein grauer Waschbär sein mit der typischen schwarzen Fellzeichnung. Außerdem hatte er eine Narbe über dem rechten Auge. Alles was Corvus auffiel waren die seltsamen Blicke der Leute, was nicht verwunderlich war. Der ganze Staub und die Asche, welche an ihnen klebte, wirkten nicht gerade einladend. Fusco blieb an einem Schaufenster stehen, wo allerlei Süßigkeiten angeboten wurden: „Wir sollten welche mitnehmen. Das ist sicher besser als das alte Brot.“ Für solche Dinge hatte Corvus nichts übrig und ging einfach weiter durch die Menge. Er erblickte den Waschbären bei zwei jungen Damen. Hinterrücks schlich er um diese herum und griff in die Handtasche um den Geldbeutel zu stehlen. Corvus versuchte sich langsam auf ihn zu zu bewegen. Sofern er nicht bemerkt werden würde, hätte er leichtes Spiel. Als der Diener den Geldbeutel erfolgreich eingesteckt hatte, ging er eiligen Schrittes davon. Auch Corvus beschleunigte seine Schritte, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Hat er mich bemerkt oder versucht er nur wegen seinem Diebstahl unentdeckt zu bleiben? Wie es aussieht, werde ich das ohne Fusco schaffen müssen. Dieser unnütze Dämon ist einfach zurückgeblieben. Der Waschbär blickte hinter sich und entdeckte Corvus. Sofort ging er ins Rennen über und versuchte ihn abzuhängen. „Mist!“, fluchte Corvus und rannte ebenfalls los. Dabei hatte er so versucht unbemerkt zu bleiben. Die Passanten auf der Straße wichen erschrocken beiseite und riefen ihnen sogar verärgert hinterher. Corvus kümmerte das nicht. Sollten sie doch machen, was sie wollten. Der flüchtige Diener rannte knapp an einem schwarzen Wolf vorbei und dann um die Ecke in die nächste Straße. Der Wolf drehte sich genervt um, als Corvus in ihn hinein rannte. Er hatte nicht mehr rechtzeitig stoppen können und fiel unsanft zu Boden, dabei knurrte er: „Verdammt.“ Der Wolf knurrte ihn verärgert an: „Pass doch auf, wo du hin rennst.“ Hastig richtete sich Corvus auf: „Dann steh doch einfach nicht im Weg.“ „Sei nicht so vorlaut“, erwiderte der Wolf verärgert, jedoch rannte Corvus gleich weiter in der Hoffnung den Waschbären noch einholen zu können: „Geh mir nicht auf die Nerven.“ Ein weiterer schwarzer Wolf kam aus dem Gebäckladen dahinter. Corvus nahm ihn nur noch aus dem Augenwinkel war und konzentrierte sich wieder auf sein eigentliches Ziel. Wenn er Glück hatte, wäre der Diener irgendwo in der Nähe stehen geblieben im Glauben in Sicherheit zu sein. Hektisch blickte sich Corvus überall um und folgte weiter der Straße: „Verdammt, wo ist er hin?“ Jemand tippte ihn von hinten an. Angespannt wirbelte Corvus herum und erblickte Fusco: „Wo warst du? Er ist mir entwischt.“ Fusco hielt ihm eine Papiertüte hin: „Probiere mal. Die sind echt gut.“ Die Tüte war mit allerlei Süßigkeiten gefüllt in den verschiedensten Farben und Formen. Knurrend blickte Corvus ihn an: „Hilf mir lieber suchen! Als dich mit diesem Unsinn zu beschäftigen.“ Stattdessen griff Fusco noch mal in die Tüte und steckte sich ein rotes Dreieck mit viel Zucker drum herum in den Mund: „Wo hast du ihn das letzte Mal gesehen? Hat er sich teleportiert?“ Genervt zeigte Corvus in die Richtung aus der er gekommen war: „Da hinten. Ich sah nur, wie er um die Ecke bog. Danach habe ich ihn aus den Augen verloren.“ „Also dort…“, meinte Fusco Gedanken versunken und steckte sich ein buntes Bonbon in den Mund, welches er aus der Tüte geholt hatte. Man konnte hören, wie er es zerkaute, statt es zu lutschen: „Dann ist er wohl weg.“ Er grinste: „Genießen wir stattdessen die Süßigkeiten. Es bringt nichts ihn weiter zu suchen. Der ist über alle Berge.“ „Satan war schon wütend!“, erinnerte ihn Corvus erbost, „Das wird ihm gar nicht gefallen.“ „Ich nehme die Schuld auf mich“, versuchte Fusco ihn zu beruhigen, „entspanne dich. Wir essen die Süßigkeiten noch auf und gehen dann runter. Alles halb so wild.“ Er klopfte ihm grinsend auf die Schulter: „Du musst entspannter werden. So verkrampft gewinnst du keinen Kampf.“ Corvus verschränkte unzufrieden die Arme: „Beeile dich. Es ist so schon schlimm genug.“ Fusco dachte nicht daran sich deswegen zu beeilen, dafür waren die Süßigkeiten in seinen Augen viel zu kostbar. Das musste man genießen. Ungeduldig blickte Corvus ihn an bis Fusco schließlich das letzte Stück in seinen Mund gesteckt hatte. Grinsend knüllte er die Papiertüte zusammen und warf sie mit Schwung in den nächsten Mülleimer: „Jetzt können wir.“ In schwarzem Feuer verschwanden die beiden und tauchten in der Eingangshalle des Schlosses wieder auf. Als Erstes betrat Fusco den Thronsaal, gefolgt von Corvus, welche sich beide niederknieten und den Blick senkten. Irgendwie war Corvus auch froh, dass man in der Regel nicht aufblicken musste. Das hätte ihm nur noch mehr Probleme bereitet. „Mein Fürst“, begann Fusco, „ich habe unglücklicher Weise den flüchtigen Diener auf uns aufmerksam gemacht und er ist verschwunden. Verzeiht mir diesen unnötigen Fehler.“ Man hörte, wie die Krallen über etwas herüber kratzten sowie ein verärgertes Schnauben: „Tötet diesen Diener!“ Auf telepathischem Wege erhielt Corvus die neuen Informationen zum Standort: „Wie ihr wünscht, mein Fürst.“ „Geht“, befahl der Fürst, ehe die beiden sich erhoben, „Und ich dulde keinen weiteren Fehler!“ Sie verließen den Thronsaal und Corvus atmete leise auf. Dieses Mal darf er mir nicht entwischen, sonst wird Satan mich noch töten. Fuscos verdammtes Glück wird mich nicht ewig schützen können.

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