Kapitel 5 - Im Einklang mit der Natur „Wollt Ihr hier alle warten bis auch dieses Dorf dem Erdboden gleich gemacht wird?“ sprach ein schwarzer Wolf, der auf einer Holzkiste stand. Einige Leute hatten sich um ihn versammelt. Andere gingen einfach ihrem alltäglichen Treiben nach. Der Krieg zwischen Licht- und Dunkelmagiern tobte nun schon seit fast zwei Jahrhunderten. Tag für Tag forderte er mehr Opfer. Nicht nur unter den Magiern, sondern vor allem unter den Nicht-Magiern. Immer mehr Sterbliche schlossen sich Satan an, aus Verzweiflung. Gabriel hatte seit der Erschaffung der ersten weißen Magier keine Neuen mehr erschaffen und wahrscheinlich würde er das auch nicht. „Ich möchte mich nicht dieser Ausgeburt der Hölle anschließen, dem Teufel selbst“, sprach der Wolf ununterbrochen weiter. Einige Leute hörten ihm nur aus Spaß zu, andere waren jedoch wirklich interessiert, was der Wolf für einen Vorschlag zu machen hatte. Unter ihnen war auch ein junger Wolf mit dunkel-lila Fell und hell-grün leuchtenden Augen. Der Wolf der dort oben stand, war sein Vater. Er war davon überzeugt, dass er die Menge auf seine Seite ziehen könnte. „Mehrere Gruppen haben sich bereits im Norden zusammengeschlossen, um in den Wäldern zu leben und die Magie der Natur zu suchen. Wir sollten uns ihnen anschließen. Es ist unsere einzige Chance. Die Reise ist lang und wird sicher nicht ungefährlich, aber wenn wir kein Weg finden uns gegen die Magier, Dämonen und den Teufel selbst zu wehren, was wird dann aus uns werden? Das frage ich euch! Wir werden zugrunde gehen oder zu einem Teil der Dienerschaft des Höllenfürsten“, setzte der schwarze Wolf erneut fort. „Als wenn die Natur für uns Magie bereithalten würde“, rief jemand aus der Mitte der versammelten Menge. Was zur Folge hatte, dass überall ein Getuschel und Gemurmel ausbrach. Der junge Wolf trat neben seinen Vater, jedoch stellte er sich nicht mit auf die Kiste: „Ich, Saltus* , glaube an die Magie der Natur. Die Druiden nutzen ihre Kräuter und brauen Tränke zur Genesung. Diese funktionieren nur, weil sie so eng mit der Natur zusammenarbeiten. Warum sollte die Natur uns nicht noch mehr zu bieten haben. Die Magier schöpfen ihre Macht doch auch nur aus Licht und Finsternis. Ich bin zwar gerade mal 13 Jahre alt, aber ich glaube fest daran, dass wir die Magie finden werden, in welcher Form auch immer.“ Die Leute verstreuten sich langsam und schließlich waren nur noch Saltus, seine Mutter und sein Vater übrig. Saltus ließ den Kopf hängen: „Entschuldige Vater, ich wollte nur helfen.“ Dieser lächelte: „Das hast du gut gemacht. Sie können nur einfach nicht unsere Hoffnung teilen. Wir werden trotzdem abreisen. Im Norden wird die Gruppe von vier Druiden begleitet, die für die Gesundheit dort sorgen. Wenn wir es zu ihnen schaffen, haben wir das Schwierigste hinter uns.“ „Ist es sehr weit dort hin?“ wollte Saltus wissen. „Ja, das ist es, mein Sohn. Doch solange wir Hoffnung haben, wird uns unser Wille vorantreiben“, bestätigte er. Bereits am nächsten Morgen brachen sie auf. In einem alten Heuwagen hatten sie Proviant, Decken, Kleidung und Feuerhölzer verstaut. Saltus‘ Eltern saßen vorne und würden abwechselnd den Wagen lenken. Er jedoch saß hinten bei dem Gepäck. Sein Vater trieb das Pferd an und die holprige Fahrt ging los. Als sie durch das Dorf fuhren, sahen ihnen noch einige Leute hinterher. Saltus fragte sich, was sie wohl dachten. Vielleicht würde einige ihnen doch noch folgen, aber sicher war er sich dessen nicht. Den ersten Teil der Strecke fuhren sie auf den Hauptverkehrsstraßen. Es war so leichter voran zu kommen und auch mal schön ein paar anderen Leuten zu begegnen. „Sieh mal dort“, rief seine Mutter auf einmal erschrocken auf. Sein Vater hielt sofort den Wagen an: „Immer mit der Ruhe. Vielleicht kommen sie gar nicht hier her.“ Saltus ließ die Ohren hängen und schaute ängstlich auf die beiden Magier, die sich dort bekämpfen. Der weiße Magier schien im Nachteil zu sein. Er sah auch schon ziemlich mitgenommen aus. „Es werden andere kommen“, rief er seinem Gegner zu. Dieser lachte nur holte mit seinem Schwert aus reiner schwarzer Magie aus. Erst sah es aus, als wäre überhaupt nichts passiert, doch dann konnte man eine Schnittverletzung am Hals erkennen. Er sackte auf die Knie und dann zur Seite. Saltus wich erschrocken im Wagen zurück, sodass er gegen die Holzkiste mit der Kleidung stieß. Nun wurde der schwarze Magier auf sie aufmerksam und lief hinterhältig grinsend auf die Familie zu. „Lauft!“ schrie Saltus‘ Vater und sprang von dem Wagen, um sich dem Magier entgegen zu stellen. „Los Saltus!“ rief seine Mutter, sprang ebenfalls aus dem Wagen und rannte los. Saltus kletterte aus dem Wagen und lief ihr hinterher. Er sah dabei nicht zurück, denn ihm war jetzt schon klar, dass sein Vater das unmöglich überleben würde. Dieser war weder Krieger noch hatte er irgendwelche Kämpfe je bestritten. Saltus könnte froh sein, wenn er selbst mit dem Leben davonkommen würde. Er hörte einen Aufschrei seines Vaters, doch rannte er weiter. Wenn er jetzt zurückblicken würde, wäre alles aus. Sicherlich würde er keinen Schritt mehr tun können und doch war die Versuchung so groß. Gerade als er zurückblicken wollte, gab der Boden unter ihm nach und er fiel in eine Grube. Er prallte unsanft unten auf und Erde rutsche hinab, welche ihn bedeckte. Regungslos blieb er liegen. Vielleicht hatte er Glück und der Magier würde ihn so nicht entdecken. Eine bessere Überlebenschance gab es wohl nicht. Er schoss die Augen und hoffte, dass sich auch irgendwie seine Mutter retten würde. Stundenlang blieb er dort unten, still und regungslos. Immerhin konnte er ein wenig atmen, sonst hätte er sein ungewolltes Versteck wohl eher verlassen müssen. Doch er lauschte, hörte den Wind, die Erdkörner, die sich durch diesen bewegten, das Gras rascheln und sonst nichts. Seit Ewigkeiten waren schon keine Schritte mehr zu hören, nicht das Schwingen eines Schwertes oder gar die Stimme seiner Mutter, die vielleicht nach ihm suchte. Er wusste nicht, ob sie noch lebte. Der Magier war an der Grube vorbei gerannt, das hatte er wohl gemerkt, aber was mit seiner Mutter geschehen war, wusste er nicht. War sie entkommen oder würde er, wenn er hinauf kletterte, ihren toten Körper vorfinden!? Er hatte solche Angst nachzusehen, dass er einfach liegen blieb und nichts tat, außer zu lauschen. Die Zeit schien für ihn still zustehen, ein klein wenig hatte er sich bewegt, um besser Luft zu bekommen. Mehr hatte er nicht gewagt, ehe ihm der trockene Mund und das endlose Verlangen nach Wasser dazu brachten sich langsam aufzurichten. Mit gesenkten Ohren stemmte er sich nach oben, gerade so viel, dass er einen Blick riskieren konnte. Sein Herz raste, aber den dunklen Magier konnte er nirgends erblicken. Noch ein tiefer Atemzug und er kletterte aus der Grube heraus. Erneut ließ er den Blick schweifen, kein Wagen mehr, keine Pferde weit und breit. Auch seine Mutter schien verschwunden zu sein, jedoch lag der leblose Körper seines Vaters unweit von der Straße am Boden. Saltus blickte in die Richtung, in der der Wald lag. Er könnte sich dort verstecken, vielleicht hatte seine Mutter es bis dorthin geschafft. Die Hände zu Fäusten geballt, ging er zurück zur Straße. Niemals könnte er sich verzeihen seinen Vater zurück gelassen zu haben, wenn er noch leben könnte. So klein die Chance auch sein mochte. „Vater?“, brachte Saltus mit leiser-krächzender Stimme hervor. Sein Mund war so trocken und die Angst keine Antwort zu bekommen, schnürte ihm die Kehle zu. Allen Mut zusammennehmend trat er näher heran. Mit einer Hand fasste Saltus seinem Vater an die Schulter und rüttelte etwas an ihm: „Vater…“ Ihm kamen die Tränen und er wandte sich von dem leblosen Körper ab. Mit jeder Sekunde die verstrich, sank die Realisation tiefer ein und die Tränen in seinen Augen wurden immer mehr. Während Saltus die Trauer immer mehr die Kehle zu schnürte, macht er sich auf den Weg in den Wald. Die Blätter raschelten immer wieder im Wind, hier und da schien sich etwas zu bewegen, aber von seiner Mutter war weit und breit keine Spur. Saltus hatte eine ganze Weile nach ihr gerufen, jedoch keine Antwort erhalten. Vermutlich war sie tot. Schließlich hatte er auch nur einmal Schritte an der Grube vorbei gehen hören. Sein Blick schweifte zurück, auch wenn er sich nicht mehr sicher war, ob er überhaupt von dort gekommen war. Im Wald wirkte alles so gleich, es war schwer zu sagen, wo genau er sich befand. Noch immer plage ihn der Durst und auch der Hunger ließ nicht auf sich warten. Gerade als er eine Pause einlegen wollte, traf ihm ein Lichtstrahl ins Gesicht. Irgendetwas vor ihm, musste es reflektiert haben. Hoffnungsvoll beschleunigte er seine Schritte und kam an einen kleinen See, welcher im Licht der Sonne geradezu glitzerte. Erleichtert trat er ans Ufer, kniete sich herunter und schöpfte mit beiden Händen etwas Wasser ab, um zu trinken. Gerade als das Wasser seine Kehle benetzte, bewegte sich ein Schatten im Wasser. Saltus sprang erschrocken zurück, gerade noch rechtzeitig, ehe ein grazile grau-bläuliche Katze mit ihrem Oberkörper aus dem Wasser schoss. Sie hatte ihn direkt packen wollen und zischte wütend, dass er ihr so knapp entkommen war. Sogleich stieg sie aus dem Wasser: „Komm her, gefalle ich dir nicht?“ Ohne groß darüber nachzudenken, wand Saltus den Blick ab und rannte so schnell er konnte davon. Mit Seitenstichen stoppte er schließlich, nur um festzustellen, dass er sich noch weiter im Wald verlaufen hatte als zuvor. Die Bäume schienen dort noch dichter zu stehen. Zwar hatte er einen Schluck Wasser nehmen können, aber das war bei weitem nicht genug. Zu der gruseligen Wasserfrau wollte er aber auch nicht zurück gehen, falls er den Weg noch finden würde. Mit dem Rücken an den Baumstamm gelehnt, hatte Saltus die Nacht in sicherer Höhe auf einem Ast verbracht. Bequem war das nicht gerade gewesen, aber die Erschöpfung des Tages hatte ihn schnell in die Welt der Träume geschickt. Die ersten Sonnenstrahlen blitzten durch das Blätterdach und frischer Tau hatte sich gebildet. Vorsichtig richtete sich Saltus auf und kletterte den Baum hinab. Noch immer plagten ihn Durst und Hunger. Die kleinen Wasserperlen auf den Blättern der Büsche und den langen Grashalmen sahen verlockend aus. Er zögerte nicht lange und ging zu dem ersten Busch, wo er Blatt für Blatt den Tau herunter leckte. Als er ein wenig seinen Durst gestillt hatte, bemerkte er einige wilde Himbeeren, die über den Boden sowie zwischen den Büschen entlang gewachsen waren. Vorsichtig zupfte er eine nach der anderen ab und steckte sie sich in den Mund. Es war nicht viel, aber für den Anfang besser als nichts. Wenn er doch nur eine weitere Wasserquelle finden könnte. Einen Fluss oder auch nur einen kleinen Teich, wo keine gruselige Wasserfrau auftauchen würde. Nachdem er sich etwas gesättigt hatte, blickte er sich um. Da er noch immer keinerlei Orientierung hatte, nahm er zwei Stöcke und steckte diese in den Boden, sodass sie ein „X“ bildeten. So würde er zumindest wiedererkennen, dass er dort schon einmal war. Nach kurzer Überlegung schlug Saltus dann eine Richtung ein und versuchte sich besser die verschiedenen Bäume, Büsche und Positionen dieser einzuprägen. Außerdem machte er sich Gedanken, wie es nun weiter gehen sollte. Selbst wenn er aus dem Wald wieder herausfinden würde, könnte er niemals den Weg alleine in den Norden finden oder überhaupt sich verteidigen. Der Wald bot ihm Schutz, etwas Nahrung und hoffentlich auch bald mehr Wasser. Niemand würde ihn suchen kommen. Also musste er sich durchschlagen und auf das Beste hoffen. Zwei große Bäume mit weißen Stämmen kreuzten seinen Weg. Saltus war sicher, dass er an diesem Ort noch nicht gewesen war. Die beiden hellen Bäume wären ihm sicher im Gedächtnis geblieben. Ein Reh schreckte auf, als er auf einen Stock trat und rannte davon. Das Vogelgezwitscher sowie das leise säuseln des Windes ließen alles friedlich erscheinen. Etwas weiter entfernt konnte er ein Plätschern vernehmen und folgte dem Geräusch. Umso lauter das Geräusch wurde, desto schneller wurden seine Schritte. Es handelte sich um einen Fluss, der sich mitten durch den Wald seinen Weg bahnte. An der Stelle, wo Saltus an ihn herantrat, war er nicht sonderlich tief. Ohne große Anstrengung konnte man den Grund sehen, somit war eine unschöne Überraschung auch ausgeschlossen. Er kniete sich zum Fluss herunter und schöpfte mehrere Male Wasser ab, um dieses zu trinken. Nachdem er seinen Durst gestillt hatte, zog er seine Schuhe aus, um seine Füße etwas in dem kühlen Wasser zu entspannen. Es wäre sicherlich am besten für ihn in der Nähe des Flusses zu bleiben und sich einen geeigneten Baum als Schlafplatz zu suchen. Einige kleine Fische schwammen an ihm vorbei. „Ich bräuchte eine Angel oder ein Netz“, überlegte Saltus laut vor sich hin. Das Material dafür ließ sich sicherlich irgendwie zusammenstellen. Die Anspannung ließ etwas nach, auch wenn es nicht leicht werden würde, er konnte das schaffen. Einige Monate waren ins Land gestrichen. Saltus hatte sich mit Ästen und Zweigen eine Art Bett und Dach auf einem der Bäume geschaffen. Zwar war er nicht unmittelbar am Fluss geblieben, jedoch nah genug daran, um sich jederzeit Wasser holen zu können und etwas Fischen zu gehen. Aus getrockneten Gräsern und verschiedenen Pflanzenfasern hatte er sich ein Fischernetz geflochten. Im seichten Wasser des Flusses reichte es auch völlig aus, um ihm ein paar kleine Fische zu bescheren. Immer wenn er etwas Zeit hatte beobachtete er die Tiere des Waldes. Sie mieden instinktiv den See und kannten die besten Plätze um sich zu sonnen oder um Nüsse zu finden. Die Eichhörnchen waren meist so flink, dass er einige Anläufe brauchte um ihnen zu folgen. Manchmal glaubte er das Leben der Bäume und Büsche um ihn herum zu spüren. Irgendwie war der Wald zu seinem Zuhause geworden, sodass er sich gar nicht mehr wünschte irgendwo anders zu sein. Der Verlust seiner Eltern schmerzte immer noch, aber nun war er sich sicher es auch ohne sie zu schaffen. Gerade saß Saltus am Fuß eines Baumes und betrachtete nachdenklich die Grashalme: „Die Druiden machen aus all diesen Dingen Tränke, die magischen Wirkungen haben. Welche Magie verbirgt sich also hier? Wenn ich das Rätsel lösen könnte, hätte ich die Möglichkeit mich zu verteidigen.“ Entschlossen dem auf den Grund zu gehen, legte er eine Hand auf eine der Wurzeln des Baumes, dabei schließt er die Augen und versucht sich nur noch auf den Baum zu konzentrieren. Eine Ewigkeit verweilte er so, dabei schaffte er es mehr und mehr die Umgebungsgeräusche auszublenden. Jede Bewegung des Baumes, seiner Äste und Blätter nahm er war, spürte das Leben in ihm und noch etwas Fremdes. Es schien außen und innen zu sein, aber er konnte nicht genau sagen, was es war. Langsam versuchte Saltus es auf sich wirken zu lassen, dennoch wurde das Gefühl nicht klarer. Er öffnete die Augen und atmete einmal tief durch: „Ok, vielleicht sollte ich erst mal anfangen zu schauen, ob dieses Unbekannte auch bei den anderen Pflanzen ist. Dann kann ich es sicher besser bestimmen.“ Nachdenklich blickte er in den Himmel: „Oder Mama, Papa? Was würdet ihr tun?“ Da es aktuell seine einzige Hoffnung war eine Gemeinsamkeit zu finden, stand er auf, um sich gleich wieder ins Gras zu setzen. Dort legte er die Hand flach über die Grashalme und konzentrierte sich. Es dauerte wieder etwas, ehe Saltus alles andere in der Umgebung ausblenden konnte. Wie er vermutet hatte, spürte er auch hier etwas Fremdes, ihm Unbekanntes oder zumindest nicht zuordbar. Dabei schien es die gleichen Eigenschaften wie zuvor beim Baum aufzuweisen. Gleichermaßen ging er bei Büschen, weiteren Bäumen, Steinen und schließlich sogar dem Wasser und der Luft vor. Diese scheinbar unsichtbare Präsenz war überall und schien irgendwie alles miteinander zu verbinden. „Ist das die Magie, die ich suche?“, fragte er sich selbst und blickte dann auf seine Hände. Könnte er vielleicht, genau wie die Magier, damit Magiekugeln erschaffen!? Erst einmal hatte Saltus nun Hunger und begab sich zum Fluss, um ein paar Fische zu fangen. Die ersten Strahlen der Sonne weckten Saltus, am gestrigen Tage hatte er sich nicht weiter mit dieser unbekannten Energie beschäftigt und war eine ganze Weile am Fischen gewesen. Inzwischen fiel es ihm auch schon sehr viel leichter mit dem trockenen Holz ein kleines Feuer zu entfachen. Allerdings hatte er keine Möglichkeit den Fisch länger zu lagern. Wenn der Winter käme, würde die Nahrung knapp werden. Darüber würde er sich aber später Gedanken machen. Wie jeden Morgen kletterte er vom Baum und ging zum Fluss, um erst einmal etwas zu trinken. Während er seinen Durst stillte, dachte er an die Erkenntnisse vom Vortag und was er daraus jetzt machen könnte. Saltus war sich sicher, dass er Magie erlernen könnte. Die Frage war nur noch wie. Einige Male atmete er bewusst ein und aus, dann stellte er sich aufrecht hin und streckte die Hand aus. Er versuchte sich auf den Punkt über seiner Hand zu konzentrieren, diese unbekannte Energie zu einer Kugel zu formen, aber es geschah nichts. Einen Moment senkte er die Hand ab, nur um sie dann verkrampft wieder hoch zu halten: „Komm schon… bitte…“ Enttäuscht senkte er die Hand und schoss einen kleinen Stein mit seinem Fuß weg: „Verdammt!“ Mühsam schluckte er seinen Frust herunter und atmete tief durch: „Es ist in Ordnung. Ich muss es einfach nochmal versuchen.“ Entschlossen schüttelte er seine Hände aus und hielt die rechte Hand erneut ausgestreckt mit der Handfläche nach oben: „Nur ein klein wenig Magie…“ Die Konzentration lag ganz auf seiner Hand, jedoch passiert wieder nichts. Bewegungslos verharrte er in dieser Position, schloss die Augen und fühlte sich in dieses noch unbekannte Gefühl in seiner Umgebung. Es war angenehm, so als würde man sich um nichts Sorgen machen müssen und wäre einfach eins mit allem. Langsam öffnete er die Augen, während er sich von dem Gefühl sanft treiben ließ. Erneut schwebte keine Energiekugel über seiner Hand, dafür aber unzählige grünlich schimmernde Lichtpunkte in der ganzen Umgebung um ihn herum. Erstaunt griff er nach einem dieser Punkte und alles verschwand so schnell, wie es gekommen war. Saltus überlegte, wie er es schaffen könnte diese Magie tatsächlich nutzen zu können. So vereinzelt leuchtend brachte ihm gar nichts, aber sie war überall. Etwas unsicher hob er einen Stock auf und steckte ihn nach vorne, atmete tief durch und fühlte sich erneut in die Energie herein. Ein Lichtpunkt nach dem anderen erschien und mit etwas Geduld und Konzentration schaffte er es, dass diese erst vereinzelt und dann alle auf einmal auf seinen Stock zu schossen. Mit einem Mal sprossen aus dem Stock weitere kleine Zweige, grüne Blätter und wunderschöne weiße Blüten, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Erschrocken ließ Saltus den Stock fallen, der nun fast schon einem Blumenstrauß ähnelte: „Das ist schon etwas anders, als ich mir das vorgestellt hatte.“ Einige Wochen vergingen bis Saltus es heraus hatte Pflanzen nach seinem Willen wachsen und bewegen zu lassen. Wie sich herausstellte war die Naturmagie gänzlich anders, als die der Licht- oder Dunkelmagie. Sie diente mehr dem Erschaffen, als die Energie an sich als Angriff oder Verteidigung zu nutzen. Gerade war er dabei einen Busch wachsen zu lassen, diesen gab er die Gestalt einer Person. Seufzend blickte er sein frisch gegrüntes Werk an: „Etwas Gesellschaft wäre schon schön. Im Dorf wurde immer viel getanzt und gelacht, trotz der schweren Zeiten.“ Nachdenklich blickte er zu dem Busch und richtete den Ast auf ihn, welchen er immer nutzte, um seine Magie richtig zu steuern. Der Ast diente ihm als Sammelpunkt für die Magie. Hin und her schwang er den Ast in seiner Hand, sodass der Busch begann seinen gewachsenen Arm zu bewegen. Erst den einen und dann auch den anderen. Schmunzelnd versuchte Saltus noch weiter zu gehen, sodass der Busch Kopf und auch Oberkörper bewegte: „Mal sehen, ob du auch laufen kannst.“ Erst lösten sich die Wurzeln auf der einen Seite und der Busch ging einen Schritt vorwärts, dann folgte der zweite. Saltus ließ den Busch auf und ab laufen, sich drehen und beugen. Es war keine echte Person, aber er fühlte sich nicht mehr ganz so einsam. Umso mehr er sich mit dem Busch beschäftigte, umso leichter fiel es ihm diesen zu kontrollieren. Schließlich musste er nicht einmal mehr ständig mit dem Ast drauf zeigen und konnte gemeinsam mit dem Busch tanzen. Lachend tobte sich Saltus im Tanz mit dem Busch aus und lehnte sich schließlich erschöpft gegen einen Baum: „Wenn ich eine Pflanze tanzen lassen kann, kann ich dann noch mehr? Wo sind die Grenzen?“ Der Busch stand still und seine Wurzeln wuchsen wieder in der Erde fest. Die seltsame Gestalt blieb aber wie sie war. Nachdem Saltus sich einige Zeit ausgeruht, etwas gegessen und getrunken sowie ein paar Gegenstände wie Steine und Stöcke zusammen gesammelt hatte, nahm er einen der Steine und packte ihn vor sich auf den Boden. „So Stein, schauen wir mal, ob in dir noch mehr steckt“, sprach Saltus zu sich selbst, während er den grauen, etwa handgroßen Brocken anblickte. Entschlossen richtete er seinen Ast darauf und konzentrierte sich, allerdings begann der Stein nur zu wackeln. So leicht wollte Saltus jedoch nicht aufgeben. Er versuchte es weiter und versuchte es dem Brocken mit Worten zu befehlen: „Stein verwandle dich… Stein werde zur Pflanze… Stein werde grün und kräftig… Stein wachse…“ Seufzend machte er eine kurze Pause, ehe er erneut den Ast auf den Stein richtete und aus Verzweiflung, aber auch Belustigung über sich selbst zu reimen begann: „Oh Stein, oh Stein, möchtest du nicht eine Pflanze sein? Ganz grün und weich, so verwandle dich gleich. An Ort und Stelle, die Magie dich erhelle. Bei der Erde, bei dem Wasser, beschwöre ich dich, verwandle dich.“ Zu Saltus‘ Verwunderung wurde der Stein von der Magie erfasst, dehnte sich aus und veränderte sich. Schließlich stand da ein kleines Bäumchen, verwurzelt und grau, wie der Stein zuvor war. Als die Verwunderung darüber wich, kam mehr und mehr ein Lächeln über Saltus Lippen, was sich zu einem breiten Grinsen entwickelte: „Ich habe es geschafft!“ Vor Freude sprang er in die Luft und eilte dann zu dem neuen grauen Bäumchen. Saltus fuhr überall mit seinen Fingern darüber, die Blätter gaben nach und die Äste waren biegsam, aber alles fühlte sich rau und hart an: „Scheinbar sind einige Eigenschaften erhalten geblieben.“ Um den Steinbaum vielleicht doch noch seine eigentliche Beschaffenheit zu verleihen, packt Saltus einen kleinen Stock daneben. Wie zuvor konzentrierte er sich, nun jedoch auf das neue Bäumchen und auf den Stock, dessen Eigenschaften die des Steines ersetzen sollten. Über seinen Ast bündelte er die Naturmagie aus der Umgebung und sprach einen Reim, der spontan in seinem Kopf entstand: „Du kleiner Baum aus Stein gemacht, nimm dir die Macht, nimm dir die Kraft, das neues Leben schafft. Sei wie der Ast, ganz ohne Hast, weicher und voller Leben, das will ich dir geben. Verwandle dich. Verwandle dich!“ Der steinerne Baum, als auch der kleine Stock begannen grünlich zu leuchten, ehe der Stock sich regelrecht in diese Energie auflöste und in das Bäumchen überging. Winzige Magiefunken sprangen dabei umher und trafen die umliegenden Büsche. Diese wucherten aus und bekamen stellenweise graue Stellen, in dem gleichen Farbton, wie der Stein sie hatte. Saltus war etwas erschrocken zurückgewichen: „Was ist passiert?“ Erst als auch der letzte Magiefunke aufhörte zu leuchten, trat er wieder näher heran, um sich das Ergebnis anzuschauen. Die betroffenen grauen Stellen der Büsche waren hart und rau. Er versuchte eines der neu gewachsenen Blätter abzupflücken, war dazu aber nicht im Stande. Auch das Bäumchen hatte sich verändert und wirkte nun wie ein ganz normaler junger Baum. Skeptisch versuchte auch hier Saltus eines der Blätter abzutrennen, erfolglos. Allerdings hatte sich immerhin, wie von ihm geplant, das äußere des Baumes verändert. Auf den ersten Blick erschien es, wie ein ganz normaler, kleiner Baum. Dennoch war Saltus etwas beunruhigt, dass sein kleines Experiment ein wenig außer Kontrolle geraten war: „Das könnte auch mal anders ausgehen. Ich bräuchte etwas zum Eingrenzen, eine Art Schutz? So wie es die Lichtmagier machen oder zumindest so ähnlich.“ Von dem Gedanken erfasst, begann er mit seinem Ast einen Kreis in die Erde zu ziehen, rund herum um das Bäumchen mit etwas Abstand. Währenddessen konzentrierte er sich auf das Schutzschild, dass er erschaffen wollte einen magiesicheren Raum und sprach dabei vor sich hin ein paar Worte, um dem Ganzen mehr Wirkung zu verleihen: „Ich grüße die aufgehende Sonne, schenke diesem Kreis deine Wonne. Hoch im Süden stehst du nun, hilf mir diesen Zauber zu tun. Wenn du im Westen wirst untergehen, soll die Wirkung des Kreises verwehen. Licht, Feuer, Wärme und Leben, lass mich diesem Kreis deinen Schutz geben. So sei es!“ Erst leuchteten nur die Ränder des Kreises auf, ehe für einen kurzen Augenblick, auch der gesamte innere Boden grünlich schimmerte. Lächelnd blickte Saltus auf den Kreis: „Na, dann wollen wir mal.“ „Ich denke, ich kann den nächsten Schritt wagen“, sprach Saltus zu sich selbst. Einige Wochen waren bereits vergangen und ihm war es gelungen innerhalb des Kreises die Naturmagie wirken zu lassen, ohne dass sie auf Dinge außerhalb übersprang. Außerdem hatte er es geschafft das Funkenfliegen zu unterbinden, indem er zuvor meditierte und sich innerlich selbst von allen anderen Gedanken reinigte. Das Bäumchen war inzwischen zu einem richtigen normalen Baum geworden. Die Eigenschaften des Steines waren gänzlich verschwunden. Auch seinen Unfall mit den Büschen hatte er wieder in Ordnung gebracht. Somit konnte Saltus nun Gegenstände verwandeln, sie äußerlich normal erscheinen lassen sowie ihre Eigenschaften verändern. Sein Blick viel auf den Busch in Menschengestalt: „Dieses Mal wird es anders, aber ich muss das gut planen.“ Während Saltus darüber nachdachte, wie seine eigene Kreatur aussehen sollte, begann er im Wald herum zu laufen und mögliche Objekte zu sammeln, die er verwenden könnte. Dabei war die Auswahl groß: Steine, Zweige, Federn, Fellbüschel, Blätter, Blumen und vieles mehr. „Es sollte männlich sein, stark, geschickt, mich bei Gefahr beschützen können, aber freundlich und eine gute Gesellschaft sein.“ Nachdem Saltus all seine Gegenstände zusammengetragen hatte, legte er sie beiseite und wählte eine ausreichend freie Fläche im Wald. Diese begann er von allen störenden Dingen zu befreien, wie größeren Steinen, Zweigen, Blätter und Eicheln. Prüfend warf er seinen Blick über den Boden: „Das sieht ja schon mal gut aus. Jetzt der Schutzkreis.“ Saltus nahm seinen Ast zur Hand und begann den Kreis in den Boden zu ziehen: „Ich grüße die aufgehende Sonne mit all ihrer Wonne, ich grüße die Mittagssonne und bitte euch um Kraft, sodass ihr einen Schutzkreis schafft. Ich grüße im Westen die untergehende Sonne noch fern, löse auf den Schutzkreis, wenn steht der erste Stern. Und im Norden die Mittagsnachtsonne steht, die Kraft von später hinein geht. So sei es und geschehe.“ Tag für Tag den er geübt hatte, waren seine Sprüche und seine Zauber wirkungsvoller geworden. Die Naturmagie fühlte sich inzwischen vertraut an und gab ihm ein Gefühl von Sicherheit. Wie beim letzten Mal leuchtete der Kreis grünlich auf, genauso wie der innere Boden, ehe alles wieder normal wirkte. Nun musste die Planung genau sein, schließlich wollte er ein lebendes und selbstständig denkendes Wesen erschaffen. Er setzte sich in die Mitte des Kreises und meditierte, dabei konzentrierte er sich auf seine Atmung und ließ alle anderen Gedanken verschwinden. Seine Konzentration sollte nur noch auf seinem Vorhaben liegen. Etwa eine halbe Stunde verweilte er so, horchte in sich hinein, blendete seine Sorgen aus und ließ die Natur um ihn herum auf sich wirken, ehe er sich erhob und zu seiner Auswahl von Objekten trat: „Was wäre am besten?“ Die Steine wollte er nicht nehmen, sein Wesen sollte nicht hart wie Stein sein, selbst wenn er das im Nachhinein vielleicht ausbessern könnte. Auch die Äste und Zweige schloss er schnell aus, denn er wollte von dem laufenden Busch weg. Seine Wahl fiel schließlich auf eine der Federn, eine Falkenfeder: „Die ist perfekt.“ Die Feder platzierte er in der Mitte des Kreises: „Lebend, denkend… am besten gebe ich dir etwas von mir, aber was?“ Unsicher was das Beste wäre, blickte er an sich hinab: „Das sind auch alles nur tote Objekte.“ Als er seinen Blick schweifen ließ, entdeckte er einen Dornenbusch und ging zu diesem hin. Er stach sich mit einem der Dornen in den Finger, sodass Blut heraustrat: „Blut ist lebendig, damit könnte es funktionieren.“ Auch wenn Saltus in dieser Richtung noch nie mit der Naturmagie experimentiert hatte und dennoch gab es für jeden Versuch ein erstes Mal. Zurück im Kreis ließ er etwas Blut auf die Feder tropfen und steckte sich dann den Finger in den Mund, in der Hoffnung das die Wunde schnell aufhören würde zu bluten, auch wenn sie nur geringfügig war. Mit dem einem Finger im Mund, nahm er seinen Ast mit der anderen Hand und begann rund herum im Kreis Eigenschaften in den Boden zu schreiben: Wolf, 23 Jahre, freundlich, treu, neugierig, hilfsbereit, klug, vorsichtig, verantwortungsbewusst, unverwundbar, kämpferische Fähigkeiten. Kaum hatte er das letzte Wort aufgeschrieben, nahm er den Finger aus dem Mund und stellte fest, dass es aufgehört hatte zu bluten. Während er seinen Ast auf die Falkenfeder richtete, verblieb er im Kreis und sprach konzentriert eine Beschwörung: „Das Leben bringt, in Blut getauft, seinen Zyklus hier durchläuft, sei gebunden, als Wolf ins Leben gefunden. 23 Jahre sind bereits um, kümmere dich nicht drum. Deine Freundlichkeit, deine Treue, Neugierig darfst du sein und hilfsbereit sowie klug, bis zum letzten Atemzug.“ Während Saltus den Spruch aufsagte, leuchtete die Wörter jeweils immer grünlich auf, ehe das Leuchten dann zur Feder überfloss und darin verschwand: „Vorsichtig und verantwortungsbewusst sollst du sein, reifen an Wissen fein. Auch unverwundbar und Fähigkeiten zum Kampf wirst du haben, ich gebe dir all diese Gaben. Komm und zeige dich! Ich beschwöre dich! Ich beschwöre dich!“ Die Feder begann zu Schweben und breitete sich in grünlichem Licht aus, wurde größer und nahm immer mehr die Form einer Person an, die eines Wolfes. Nachdem das Licht mehr und mehr verblasste, stand ein brauner Wolf dort, wo einst die Feder war. Sein Fell hatte einige weiße Stellen und seine Augen waren die eines Falken. Saltus lächelte, senkte den Ast und griff vorsichtig nach ihm: „Hallo, ich bin Saltus.“ Der Wolf blickte an sich herab, betrachtete seine Hände und sah dann zu Saltus, instinktiv sprach er ihn an: „Saltus, mein Meister.“ „Saltus, Saltus reicht völlig aus. Bitte nenne mich nicht Meister“, entgegnete er dem Wolf und kam sich schon etwas komisch dabei vor, „Du brauchst einen Namen oder hast du einen Namen?“ Kopfschüttelnd antworte der Wolf: „Ihr könnt mir einen Namen geben.“ „Wie wäre es erst mal damit, dass wir uns duzen. So wie Freunde. Ich möchte gerne mit dir befreundet sein und als Name… wie wäre es mit Avis* ? Gefällt dir das?“ Ein freundliches Nicken folgte: „Avis ist schön. Ich werde gerne euer… verzeih… dein Freund sein.“ „Entschuldige dich nicht“, erwiderte Saltus sein Lächeln mit seinem eigenen, „Wir sind Freunde und Freunde gehen vertraut miteinander um. Ich bin so froh, dass du da bist Avis. Jetzt bin ich nicht mehr allein und vielleicht finden wir sogar einen Weg hinaus aus dem Wald.“ „Hast du einen guten Weg durch den Wald entdeckt?“ fragte Saltus seinen neuen Begleiter. Es waren einige Wochen vergangen seit dem Avis erschaffen worden war. Wie sich herausgestellt hatte, waren die Falkenaugen nicht das einzige Falkentechnische an Avis, er konnte sich ebenfalls in einen kleinen Falken verwandeln und überflog so die nähere Umgebung oder kundschaftete den Wald aus. „Ich denke, ich habe einen sicheren Weg gefunden, Saltus. Wir sollten Wasser mitnehmen, denn bis zum nächsten Fluss ist es weit“, entgegnete Avis, kaum das er sich zurück verwandelt hatte, „Erst einmal kommt nichts als Bäume. Kein See und klein Fluss weit und breit. In der anderen Richtung liegt ein See, aber du sagtest ja, dass es dort gefährlich ist.“ Saltus nickte und dachte an sein Erlebnis am See zurück: „Es ist besser, wenn wir das nicht riskieren. Konzentrieren wir uns darauf heute Wasservorräte anzulegen und morgen früh gehen wir los.“ Avis hatte inzwischen auch Kleidung von Saltus erhalten, welche dieser aus verschiedenen Pflanzen erschaffen hatte: Eine blaue Hose aus Vergissmeinnicht, ein grünes Shirt aus Ahornblättern, braune Stiefel aus Holzfasern und weiße Handschuhe aus Schafgabe. Nach einigen Tagen Fußmarsch waren Avis und Saltus dem Wald entkommen. Sie hatten den nächsten Fluss angesteuert, welcher wiederrum in einen weiteren Wald führte. Um nicht auf dem offenen Gelände unter freiem Himmel zu schlafen, hatten sie den Weg in den unbekannten Wald gewählt und waren nahe dem Fluss geblieben. „Hey, ihr da!“, rief eine männliche Stimme. Avis fuhr sofort herum und erblickte einen weiteren Wolf: „Wer seid ihr?“ Auch Saltus hatte sich zur Stimme gewandt und hatte gemischte Gefühle. Ewig war er niemanden begegnet und nun tauchte hier jemand mitten im Wald auf. Der fremde Wolf kam näher, seine Kleidung war aus Baumwolle gefertigt und er trug einen blühenden Zweig hinter dem Ohr: „Ich bin einer der westlichen Hexer und wer seid ihr?“ „Hexer? Was ist das?“, hackte Saltus verwundert nach. Davon hatte er noch nie gehört. Schmunzelnd antwortete der Fremde: „Hexer sind sozusagen das Volk der Naturmagier, wie die Druiden nur mächtiger. Die weibliche Form nennt man Hexe. Wir sind unabhängig von den anderen Magiern und wollen daher auch anders bezeichnet werden. Die nördlichen Hexer und Hexen hatten das entschieden und ein paar von ihnen haben uns ausgebildet. Wir sind aber noch in den Anfängen. Und woher kommt ihr? Ihr wolltet euch nicht zufällig uns anschließen?“ Es kamen ab und zu andere Leute aus Dörfern und Städten, die die Naturmagie lernen wollten. So wie einst Saltus mit seinen Eltern aufgebrochen war, um die nördlichen Naturmagier zu suchen. Vielleicht hätten sie gar nicht so weit reisen müssen und wären niemals auf den Dunkelmagier gestoßen. Avis blickte fragend zu Saltus, denn die Entscheidung lag bei ihm. Dieser riss sich von seinen Gedanken los und überlegte nicht lang: „Wir kommen aus einem Wald in der Nähe. Ich kann schon etwas Naturmagie nutzen und würde gerne mehr lernen.“ Der Hexer lächelte ein wenig amüsiert darüber: „So? Dann kommt mal mit und zeig uns, was du schon kannst.“

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Teil 1 - Himmel und Hölle
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Die Prophezeiung des Lichts - Teil 1 - Himmel und Hölle
Kapitel 5 - Im Einklang mit der Natur „Wollt Ihr hier alle warten bis auch dieses Dorf dem Erdboden gleich gemacht wird?“ sprach ein schwarzer Wolf, der auf einer Holzkiste stand. Einige Leute hatten sich um ihn versammelt. Andere gingen einfach ihrem alltäglichen Treiben nach. Der Krieg zwischen Licht- und Dunkelmagiern tobte nun schon seit fast zwei Jahrhunderten. Tag für Tag forderte er mehr Opfer. Nicht nur unter den Magiern, sondern vor allem unter den Nicht-Magiern. Immer mehr Sterbliche schlossen sich Satan an, aus Verzweiflung. Gabriel hatte seit der Erschaffung der ersten weißen Magier keine Neuen mehr erschaffen und wahrscheinlich würde er das auch nicht. „Ich möchte mich nicht dieser Ausgeburt der Hölle anschließen, dem Teufel selbst“, sprach der Wolf ununterbrochen weiter. Einige Leute hörten ihm nur aus Spaß zu, andere waren jedoch wirklich interessiert, was der Wolf für einen Vorschlag zu machen hatte. Unter ihnen war auch ein junger Wolf mit dunkel-lila Fell und hell-grün leuchtenden Augen. Der Wolf der dort oben stand, war sein Vater. Er war davon überzeugt, dass er die Menge auf seine Seite ziehen könnte. „Mehrere Gruppen haben sich bereits im Norden zusammengeschlossen, um in den Wäldern zu leben und die Magie der Natur zu suchen. Wir sollten uns ihnen anschließen. Es ist unsere einzige Chance. Die Reise ist lang und wird sicher nicht ungefährlich, aber wenn wir kein Weg finden uns gegen die Magier, Dämonen und den Teufel selbst zu wehren, was wird dann aus uns werden? Das frage ich euch! Wir werden zugrunde gehen oder zu einem Teil der Dienerschaft des Höllenfürsten“, setzte der schwarze Wolf erneut fort. „Als wenn die Natur für uns Magie bereithalten würde“, rief jemand aus der Mitte der versammelten Menge. Was zur Folge hatte, dass überall ein Getuschel und Gemurmel ausbrach. Der junge Wolf trat neben seinen Vater, jedoch stellte er sich nicht mit auf die Kiste: „Ich, Saltus* , glaube an die Magie der Natur. Die Druiden nutzen ihre Kräuter und brauen Tränke zur Genesung. Diese funktionieren nur, weil sie so eng mit der Natur zusammenarbeiten. Warum sollte die Natur uns nicht noch mehr zu bieten haben. Die Magier schöpfen ihre Macht doch auch nur aus Licht und Finsternis. Ich bin zwar gerade mal 13 Jahre alt, aber ich glaube fest daran, dass wir die Magie finden werden, in welcher Form auch immer.“ Die Leute verstreuten sich langsam und schließlich waren nur noch Saltus, seine Mutter und sein Vater übrig. Saltus ließ den Kopf hängen: „Entschuldige Vater, ich wollte nur helfen.“ Dieser lächelte: „Das hast du gut gemacht. Sie können nur einfach nicht unsere Hoffnung teilen. Wir werden trotzdem abreisen. Im Norden wird die Gruppe von vier Druiden begleitet, die für die Gesundheit dort sorgen. Wenn wir es zu ihnen schaffen, haben wir das Schwierigste hinter uns.“ „Ist es sehr weit dort hin?“ wollte Saltus wissen. „Ja, das ist es, mein Sohn. Doch solange wir Hoffnung haben, wird uns unser Wille vorantreiben“, bestätigte er. Bereits am nächsten Morgen brachen sie auf. In einem alten Heuwagen hatten sie Proviant, Decken, Kleidung und Feuerhölzer verstaut. Saltus‘ Eltern saßen vorne und würden abwechselnd den Wagen lenken. Er jedoch saß hinten bei dem Gepäck. Sein Vater trieb das Pferd an und die holprige Fahrt ging los. Als sie durch das Dorf fuhren, sahen ihnen noch einige Leute hinterher. Saltus fragte sich, was sie wohl dachten. Vielleicht würde einige ihnen doch noch folgen, aber sicher war er sich dessen nicht. Den ersten Teil der Strecke fuhren sie auf den Hauptverkehrsstraßen. Es war so leichter voran zu kommen und auch mal schön ein paar anderen Leuten zu begegnen. „Sieh mal dort“, rief seine Mutter auf einmal erschrocken auf. Sein Vater hielt sofort den Wagen an: „Immer mit der Ruhe. Vielleicht kommen sie gar nicht hier her.“ Saltus ließ die Ohren hängen und schaute ängstlich auf die beiden Magier, die sich dort bekämpfen. Der weiße Magier schien im Nachteil zu sein. Er sah auch schon ziemlich mitgenommen aus. „Es werden andere kommen“, rief er seinem Gegner zu. Dieser lachte nur holte mit seinem Schwert aus reiner schwarzer Magie aus. Erst sah es aus, als wäre überhaupt nichts passiert, doch dann konnte man eine Schnittverletzung am Hals erkennen. Er sackte auf die Knie und dann zur Seite. Saltus wich erschrocken im Wagen zurück, sodass er gegen die Holzkiste mit der Kleidung stieß. Nun wurde der schwarze Magier auf sie aufmerksam und lief hinterhältig grinsend auf die Familie zu. „Lauft!“ schrie Saltus‘ Vater und sprang von dem Wagen, um sich dem Magier entgegen zu stellen. „Los Saltus!“ rief seine Mutter, sprang ebenfalls aus dem Wagen und rannte los. Saltus kletterte aus dem Wagen und lief ihr hinterher. Er sah dabei nicht zurück, denn ihm war jetzt schon klar, dass sein Vater das unmöglich überleben würde. Dieser war weder Krieger noch hatte er irgendwelche Kämpfe je bestritten. Saltus könnte froh sein, wenn er selbst mit dem Leben davonkommen würde. Er hörte einen Aufschrei seines Vaters, doch rannte er weiter. Wenn er jetzt zurückblicken würde, wäre alles aus. Sicherlich würde er keinen Schritt mehr tun können und doch war die Versuchung so groß. Gerade als er zurückblicken wollte, gab der Boden unter ihm nach und er fiel in eine Grube. Er prallte unsanft unten auf und Erde rutsche hinab, welche ihn bedeckte. Regungslos blieb er liegen. Vielleicht hatte er Glück und der Magier würde ihn so nicht entdecken. Eine bessere Überlebenschance gab es wohl nicht. Er schoss die Augen und hoffte, dass sich auch irgendwie seine Mutter retten würde. Stundenlang blieb er dort unten, still und regungslos. Immerhin konnte er ein wenig atmen, sonst hätte er sein ungewolltes Versteck wohl eher verlassen müssen. Doch er lauschte, hörte den Wind, die Erdkörner, die sich durch diesen bewegten, das Gras rascheln und sonst nichts. Seit Ewigkeiten waren schon keine Schritte mehr zu hören, nicht das Schwingen eines Schwertes oder gar die Stimme seiner Mutter, die vielleicht nach ihm suchte. Er wusste nicht, ob sie noch lebte. Der Magier war an der Grube vorbei gerannt, das hatte er wohl gemerkt, aber was mit seiner Mutter geschehen war, wusste er nicht. War sie entkommen oder würde er, wenn er hinauf kletterte, ihren toten Körper vorfinden!? Er hatte solche Angst nachzusehen, dass er einfach liegen blieb und nichts tat, außer zu lauschen. Die Zeit schien für ihn still zustehen, ein klein wenig hatte er sich bewegt, um besser Luft zu bekommen. Mehr hatte er nicht gewagt, ehe ihm der trockene Mund und das endlose Verlangen nach Wasser dazu brachten sich langsam aufzurichten. Mit gesenkten Ohren stemmte er sich nach oben, gerade so viel, dass er einen Blick riskieren konnte. Sein Herz raste, aber den dunklen Magier konnte er nirgends erblicken. Noch ein tiefer Atemzug und er kletterte aus der Grube heraus. Erneut ließ er den Blick schweifen, kein Wagen mehr, keine Pferde weit und breit. Auch seine Mutter schien verschwunden zu sein, jedoch lag der leblose Körper seines Vaters unweit von der Straße am Boden. Saltus blickte in die Richtung, in der der Wald lag. Er könnte sich dort verstecken, vielleicht hatte seine Mutter es bis dorthin geschafft. Die Hände zu Fäusten geballt, ging er zurück zur Straße. Niemals könnte er sich verzeihen seinen Vater zurück gelassen zu haben, wenn er noch leben könnte. So klein die Chance auch sein mochte. „Vater?“, brachte Saltus mit leiser-krächzender Stimme hervor. Sein Mund war so trocken und die Angst keine Antwort zu bekommen, schnürte ihm die Kehle zu. Allen Mut zusammennehmend trat er näher heran. Mit einer Hand fasste Saltus seinem Vater an die Schulter und rüttelte etwas an ihm: „Vater…“ Ihm kamen die Tränen und er wandte sich von dem leblosen Körper ab. Mit jeder Sekunde die verstrich, sank die Realisation tiefer ein und die Tränen in seinen Augen wurden immer mehr. Während Saltus die Trauer immer mehr die Kehle zu schnürte, macht er sich auf den Weg in den Wald. Die Blätter raschelten immer wieder im Wind, hier und da schien sich etwas zu bewegen, aber von seiner Mutter war weit und breit keine Spur. Saltus hatte eine ganze Weile nach ihr gerufen, jedoch keine Antwort erhalten. Vermutlich war sie tot. Schließlich hatte er auch nur einmal Schritte an der Grube vorbei gehen hören. Sein Blick schweifte zurück, auch wenn er sich nicht mehr sicher war, ob er überhaupt von dort gekommen war. Im Wald wirkte alles so gleich, es war schwer zu sagen, wo genau er sich befand. Noch immer plage ihn der Durst und auch der Hunger ließ nicht auf sich warten. Gerade als er eine Pause einlegen wollte, traf ihm ein Lichtstrahl ins Gesicht. Irgendetwas vor ihm, musste es reflektiert haben. Hoffnungsvoll beschleunigte er seine Schritte und kam an einen kleinen See, welcher im Licht der Sonne geradezu glitzerte. Erleichtert trat er ans Ufer, kniete sich herunter und schöpfte mit beiden Händen etwas Wasser ab, um zu trinken. Gerade als das Wasser seine Kehle benetzte, bewegte sich ein Schatten im Wasser. Saltus sprang erschrocken zurück, gerade noch rechtzeitig, ehe ein grazile grau- bläuliche Katze mit ihrem Oberkörper aus dem Wasser schoss. Sie hatte ihn direkt packen wollen und zischte wütend, dass er ihr so knapp entkommen war. Sogleich stieg sie aus dem Wasser: „Komm her, gefalle ich dir nicht?“ Ohne groß darüber nachzudenken, wand Saltus den Blick ab und rannte so schnell er konnte davon. Mit Seitenstichen stoppte er schließlich, nur um festzustellen, dass er sich noch weiter im Wald verlaufen hatte als zuvor. Die Bäume schienen dort noch dichter zu stehen. Zwar hatte er einen Schluck Wasser nehmen können, aber das war bei weitem nicht genug. Zu der gruseligen Wasserfrau wollte er aber auch nicht zurück gehen, falls er den Weg noch finden würde. Mit dem Rücken an den Baumstamm gelehnt, hatte Saltus die Nacht in sicherer Höhe auf einem Ast verbracht. Bequem war das nicht gerade gewesen, aber die Erschöpfung des Tages hatte ihn schnell in die Welt der Träume geschickt. Die ersten Sonnenstrahlen blitzten durch das Blätterdach und frischer Tau hatte sich gebildet. Vorsichtig richtete sich Saltus auf und kletterte den Baum hinab. Noch immer plagten ihn Durst und Hunger. Die kleinen Wasserperlen auf den Blättern der Büsche und den langen Grashalmen sahen verlockend aus. Er zögerte nicht lange und ging zu dem ersten Busch, wo er Blatt für Blatt den Tau herunter leckte. Als er ein wenig seinen Durst gestillt hatte, bemerkte er einige wilde Himbeeren, die über den Boden sowie zwischen den Büschen entlang gewachsen waren. Vorsichtig zupfte er eine nach der anderen ab und steckte sie sich in den Mund. Es war nicht viel, aber für den Anfang besser als nichts. Wenn er doch nur eine weitere Wasserquelle finden könnte. Einen Fluss oder auch nur einen kleinen Teich, wo keine gruselige Wasserfrau auftauchen würde. Nachdem er sich etwas gesättigt hatte, blickte er sich um. Da er noch immer keinerlei Orientierung hatte, nahm er zwei Stöcke und steckte diese in den Boden, sodass sie ein „X“ bildeten. So würde er zumindest wiedererkennen, dass er dort schon einmal war. Nach kurzer Überlegung schlug Saltus dann eine Richtung ein und versuchte sich besser die verschiedenen Bäume, Büsche und Positionen dieser einzuprägen. Außerdem machte er sich Gedanken, wie es nun weiter gehen sollte. Selbst wenn er aus dem Wald wieder herausfinden würde, könnte er niemals den Weg alleine in den Süden finden oder überhaupt sich verteidigen. Der Wald bot ihm Schutz, etwas Nahrung und hoffentlich auch bald mehr Wasser. Niemand würde ihn suchen kommen. Also musste er sich durchschlagen und auf das Beste hoffen. Zwei große Bäume mit weißen Stämmen kreuzten seinen Weg. Saltus war sicher, dass er an diesem Ort noch nicht gewesen war. Die beiden hellen Bäume wären ihm sicher im Gedächtnis geblieben. Ein Reh schreckte auf, als er auf einen Stock trat und rannte davon. Das Vogelgezwitscher sowie das leise säuseln des Windes ließen alles friedlich erscheinen. Etwas weiter entfernt konnte er ein Plätschern vernehmen und folgte dem Geräusch. Umso lauter das Geräusch wurde, desto schneller wurden seine Schritte. Es handelte sich um einen Fluss, der sich mitten durch den Wald seinen Weg bahnte. An der Stelle, wo Saltus an ihn herantrat, war er nicht sonderlich tief. Ohne große Anstrengung konnte man den Grund sehen, somit war eine unschöne Überraschung auch ausgeschlossen. Er kniete sich zum Fluss herunter und schöpfte mehrere Male Wasser ab, um dieses zu trinken. Nachdem er seinen Durst gestillt hatte, zog er seine Schuhe aus, um seine Füße etwas in dem kühlen Wasser zu entspannen. Es wäre sicherlich am besten für ihn in der Nähe des Flusses zu bleiben und sich einen geeigneten Baum als Schlafplatz zu suchen. Einige kleine Fische schwammen an ihm vorbei. „Ich bräuchte eine Angel oder ein Netz“, überlegte Saltus laut vor sich hin. Das Material dafür ließ sich sicherlich irgendwie zusammenstellen. Die Anspannung ließ etwas nach, auch wenn es nicht leicht werden würde, er konnte das schaffen. Einige Monate waren ins Land gestrichen. Saltus hatte sich mit Ästen und Zweigen eine Art Bett und Dach auf einem der Bäume geschaffen. Zwar war er nicht unmittelbar am Fluss geblieben, jedoch nah genug daran, um sich jederzeit Wasser holen zu können und etwas Fischen zu gehen. Aus getrockneten Gräsern und verschiedenen Pflanzenfasern hatte er sich ein Fischernetz geflochten. Im seichten Wasser des Flusses reichte es auch völlig aus, um ihm ein paar kleine Fische zu bescheren. Immer wenn er etwas Zeit hatte beobachtete er die Tiere des Waldes. Sie mieden instinktiv den See und kannten die besten Plätze um sich zu sonnen oder um Nüsse zu finden. Die Eichhörnchen waren meist so flink, dass er einige Anläufe brauchte um ihnen zu folgen. Manchmal glaubte er das Leben der Bäume und Büsche um ihn herum zu spüren. Irgendwie war der Wald zu seinem Zuhause geworden, sodass er sich gar nicht mehr wünschte irgendwo anders zu sein. Der Verlust seiner Eltern schmerzte immer noch, aber nun war er sich sicher es auch ohne sie zu schaffen. Gerade saß Saltus am Fuß eines Baumes und betrachtete nachdenklich die Grashalme: „Die Druiden machen aus all diesen Dingen Tränke, die magischen Wirkungen haben. Welche Magie verbirgt sich also hier? Wenn ich das Rätsel lösen könnte, hätte ich die Möglichkeit mich zu verteidigen.“ Entschlossen dem auf den Grund zu gehen, legte er eine Hand auf eine der Wurzeln des Baumes, dabei schließt er die Augen und versucht sich nur noch auf den Baum zu konzentrieren. Eine Ewigkeit verweilte er so, dabei schaffte er es mehr und mehr die Umgebungsgeräusche auszublenden. Jede Bewegung des Baumes, seiner Äste und Blätter nahm er war, spürte das Leben in ihm und noch etwas Fremdes. Es schien außen und innen zu sein, aber er konnte nicht genau sagen, was es war. Langsam versuchte Saltus es auf sich wirken zu lassen, dennoch wurde das Gefühl nicht klarer. Er öffnete die Augen und atmete einmal tief durch: „Ok, vielleicht sollte ich erst mal anfangen zu schauen, ob dieses Unbekannte auch bei den anderen Pflanzen ist. Dann kann ich es sicher besser bestimmen.“ Nachdenklich blickte er in den Himmel: „Oder Mama, Papa? Was würdet ihr tun?“ Da es aktuell seine einzige Hoffnung war eine Gemeinsamkeit zu finden, stand er auf, um sich gleich wieder ins Gras zu setzen. Dort legte er die Hand flach über die Grashalme und konzentrierte sich. Es dauerte wieder etwas, ehe Saltus alles andere in der Umgebung ausblenden konnte. Wie er vermutet hatte, spürte er auch hier etwas Fremdes, ihm Unbekanntes oder zumindest nicht zuordbar. Dabei schien es die gleichen Eigenschaften wie zuvor beim Baum aufzuweisen. Gleichermaßen ging er bei Büschen, weiteren Bäumen, Steinen und schließlich sogar dem Wasser und der Luft vor. Diese scheinbar unsichtbare Präsenz war überall und schien irgendwie alles miteinander zu verbinden. „Ist das die Magie, die ich suche?“, fragte er sich selbst und blickte dann auf seine Hände. Könnte er vielleicht, genau wie die Magier, damit Magiekugeln erschaffen!? Erst einmal hatte Saltus nun Hunger und begab sich zum Fluss, um ein paar Fische zu fangen. Die ersten Strahlen der Sonne weckten Saltus, am gestrigen Tage hatte er sich nicht weiter mit dieser unbekannten Energie beschäftigt und war eine ganze Weile am Fischen gewesen. Inzwischen fiel es ihm auch schon sehr viel leichter mit dem trockenen Holz ein kleines Feuer zu entfachen. Allerdings hatte er keine Möglichkeit den Fisch länger zu lagern. Wenn der Winter käme, würde die Nahrung knapp werden. Darüber würde er sich aber später Gedanken machen. Wie jeden Morgen kletterte er vom Baum und ging zum Fluss, um erst einmal etwas zu trinken. Während er seinen Durst stillte, dachte er an die Erkenntnisse vom Vortag und was er daraus jetzt machen könnte. Saltus war sich sicher, dass er Magie erlernen könnte. Die Frage war nur noch wie. Einige Male atmete er bewusst ein und aus, dann stellte er sich aufrecht hin und streckte die Hand aus. Er versuchte sich auf den Punkt über seiner Hand zu konzentrieren, diese unbekannte Energie zu einer Kugel zu formen, aber es geschah nichts. Einen Moment senkte er die Hand ab, nur um sie dann verkrampft wieder hoch zu halten: „Komm schon… bitte…“ Enttäuscht senkte er die Hand und schoss einen kleinen Stein mit seinem Fuß weg: „Verdammt!“ Mühsam schluckte er seinen Frust herunter und atmete tief durch: „Es ist in Ordnung. Ich muss es einfach nochmal versuchen.“ Entschlossen schüttelte er seine Hände aus und hielt die rechte Hand erneut ausgestreckt mit der Handfläche nach oben: „Nur ein klein wenig Magie…“ Die Konzentration lag ganz auf seiner Hand, jedoch passiert wieder nichts. Bewegungslos verharrte er in dieser Position, schloss die Augen und fühlte sich in dieses noch unbekannte Gefühl in seiner Umgebung. Es war angenehm, so als würde man sich um nichts Sorgen machen müssen und wäre einfach eins mit allem. Langsam öffnete er die Augen, während er sich von dem Gefühl sanft treiben ließ. Erneut schwebte keine Energiekugel über seiner Hand, dafür aber unzählige grünlich schimmernde Lichtpunkte in der ganzen Umgebung um ihn herum. Erstaunt griff er nach einem dieser Punkte und alles verschwand so schnell, wie es gekommen war. Saltus überlegte, wie er es schaffen könnte diese Magie tatsächlich nutzen zu können. So vereinzelt leuchtend brachte ihm gar nichts, aber sie war überall. Etwas unsicher hob er einen Stock auf und steckte ihn nach vorne, atmete tief durch und fühlte sich erneut in die Energie herein. Ein Lichtpunkt nach dem anderen erschien und mit etwas Geduld und Konzentration schaffte er es, dass diese erst vereinzelt und dann alle auf einmal auf seinen Stock zu schossen. Mit einem Mal sprossen aus dem Stock weitere kleine Zweige, grüne Blätter und wunderschöne weiße Blüten, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Erschrocken ließ Saltus den Stock fallen, der nun fast schon einem Blumenstrauß ähnelte: „Das ist schon etwas anders, als ich mir das vorgestellt hatte.“ Einige Wochen vergingen bis Saltus es heraus hatte Pflanzen nach seinem Willen wachsen und bewegen zu lassen. Wie sich herausstellte war die Naturmagie gänzlich anders, als die der Licht- oder Dunkelmagie. Sie diente mehr dem Erschaffen, als die Energie an sich als Angriff oder Verteidigung zu nutzen. Gerade war er dabei einen Busch wachsen zu lassen, diesen gab er die Gestalt einer Person. Seufzend blickte er sein frisch gegrüntes Werk an: „Etwas Gesellschaft wäre schon schön. Im Dorf wurde immer viel getanzt und gelacht, trotz der schweren Zeiten.“ Nachdenklich blickte er zu dem Busch und richtete den Ast auf ihn, welchen er immer nutzte, um seine Magie richtig zu steuern. Der Ast diente ihm als Sammelpunkt für die Magie. Hin und her schwang er den Ast in seiner Hand, sodass der Busch begann seinen gewachsenen Arm zu bewegen. Erst den einen und dann auch den anderen. Schmunzelnd versuchte Saltus noch weiter zu gehen, sodass der Busch Kopf und auch Oberkörper bewegte: „Mal sehen, ob du auch laufen kannst.“ Erst lösten sich die Wurzeln auf der einen Seite und der Busch ging einen Schritt vorwärts, dann folgte der zweite. Saltus ließ den Busch auf und ab laufen, sich drehen und beugen. Es war keine echte Person, aber er fühlte sich nicht mehr ganz so einsam. Umso mehr er sich mit dem Busch beschäftigte, umso leichter fiel es ihm diesen zu kontrollieren. Schließlich musste er nicht einmal mehr ständig mit dem Ast drauf zeigen und konnte gemeinsam mit dem Busch tanzen. Lachend tobte sich Saltus im Tanz mit dem Busch aus und lehnte sich schließlich erschöpft gegen einen Baum: „Wenn ich eine Pflanze tanzen lassen kann, kann ich dann noch mehr? Wo sind die Grenzen?“ Der Busch stand still und seine Wurzeln wuchsen wieder in der Erde fest. Die seltsame Gestalt blieb aber wie sie war. Nachdem Saltus sich einige Zeit ausgeruht, etwas gegessen und getrunken sowie ein paar Gegenstände wie Steine und Stöcke zusammen gesammelt hatte, nahm er einen der Steine und packte ihn vor sich auf den Boden. „So Stein, schauen wir mal, ob in dir noch mehr steckt“, sprach Saltus zu sich selbst, während er den grauen, etwa handgroßen Brocken anblickte. Entschlossen richtete er seinen Ast darauf und konzentrierte sich, allerdings begann der Stein nur zu wackeln. So leicht wollte Saltus jedoch nicht aufgeben. Er versuchte es weiter und versuchte es dem Brocken mit Worten zu befehlen: „Stein verwandle dich… Stein werde zur Pflanze… Stein werde grün und kräftig… Stein wachse…“ Seufzend machte er eine kurze Pause, ehe er erneut den Ast auf den Stein richtete und aus Verzweiflung, aber auch Belustigung über sich selbst zu reimen begann: „Oh Stein, oh Stein, möchtest du nicht eine Pflanze sein? Ganz grün und weich, so verwandle dich gleich. An Ort und Stelle, die Magie dich erhelle. Bei der Erde, bei dem Wasser, beschwöre ich dich, verwandle dich.“ Zu Saltus‘ Verwunderung wurde der Stein von der Magie erfasst, dehnte sich aus und veränderte sich. Schließlich stand da ein kleines Bäumchen, verwurzelt und grau, wie der Stein zuvor war. Als die Verwunderung darüber wich, kam mehr und mehr ein Lächeln über Saltus Lippen, was sich zu einem breiten Grinsen entwickelte: „Ich habe es geschafft!“ Vor Freude sprang er in die Luft und eilte dann zu dem neuen grauen Bäumchen. Saltus fuhr überall mit seinen Fingern darüber, die Blätter gaben nach und die Äste waren biegsam, aber alles fühlte sich rau und hart an: „Scheinbar sind einige Eigenschaften erhalten geblieben.“ Um den Steinbaum vielleicht doch noch seine eigentliche Beschaffenheit zu verleihen, packt Saltus einen kleinen Stock daneben. Wie zuvor konzentrierte er sich, nun jedoch auf das neue Bäumchen und auf den Stock, dessen Eigenschaften die des Steines ersetzen sollten. Über seinen Ast bündelte er die Naturmagie aus der Umgebung und sprach einen Reim, der spontan in seinem Kopf entstand: „Du kleiner Baum aus Stein gemacht, nimm dir die Macht, nimm dir die Kraft, das neues Leben schafft. Sei wie der Ast, ganz ohne Hast, weicher und voller Leben, das will ich dir geben. Verwandle dich. Verwandle dich!“ Der steinerne Baum, als auch der kleine Stock begannen grünlich zu leuchten, ehe der Stock sich regelrecht in diese Energie auflöste und in das Bäumchen überging. Winzige Magiefunken sprangen dabei umher und trafen die umliegenden Büsche. Diese wucherten aus und bekamen stellenweise graue Stellen, in dem gleichen Farbton, wie der Stein sie hatte. Saltus war etwas erschrocken zurückgewichen: „Was ist passiert?“ Erst als auch der letzte Magiefunke aufhörte zu leuchten, trat er wieder näher heran, um sich das Ergebnis anzuschauen. Die betroffenen grauen Stellen der Büsche waren hart und rau. Er versuchte eines der neu gewachsenen Blätter abzupflücken, war dazu aber nicht im Stande. Auch das Bäumchen hatte sich verändert und wirkte nun wie ein ganz normaler junger Baum. Skeptisch versuchte auch hier Saltus eines der Blätter abzutrennen, erfolglos. Allerdings hatte sich immerhin, wie von ihm geplant, das äußere des Baumes verändert. Auf den ersten Blick erschien es, wie ein ganz normaler, kleiner Baum. Dennoch war Saltus etwas beunruhigt, dass sein kleines Experiment ein wenig außer Kontrolle geraten war: „Das könnte auch mal anders ausgehen. Ich bräuchte etwas zum Eingrenzen, eine Art Schutz? So wie es die Lichtmagier machen oder zumindest so ähnlich.“ Von dem Gedanken erfasst, begann er mit seinem Ast einen Kreis in die Erde zu ziehen, rund herum um das Bäumchen mit etwas Abstand. Währenddessen konzentrierte er sich auf das Schutzschild, dass er erschaffen wollte einen magiesicheren Raum und sprach dabei vor sich hin ein paar Worte, um dem Ganzen mehr Wirkung zu verleihen: „Ich grüße die aufgehende Sonne, schenke diesem Kreis deine Wonne. Hoch im Süden stehst du nun, hilf mir diesen Zauber zu tun. Wenn du im Westen wirst untergehen, soll die Wirkung des Kreises verwehen. Licht, Feuer, Wärme und Leben, lass mich diesem Kreis deinen Schutz geben. So sei es!“ Erst leuchteten nur die Ränder des Kreises auf, ehe für einen kurzen Augenblick, auch der gesamte innere Boden grünlich schimmerte. Lächelnd blickte Saltus auf den Kreis: „Na, dann wollen wir mal.“ „Ich denke, ich kann den nächsten Schritt wagen“, sprach Saltus zu sich selbst. Einige Wochen waren bereits vergangen und ihm war es gelungen innerhalb des Kreises die Naturmagie wirken zu lassen, ohne dass sie auf Dinge außerhalb übersprang. Außerdem hatte er es geschafft das Funkenfliegen zu unterbinden, indem er zuvor meditierte und sich innerlich selbst von allen anderen Gedanken reinigte. Das Bäumchen war inzwischen zu einem richtigen normalen Baum geworden. Die Eigenschaften des Steines waren gänzlich verschwunden. Auch seinen Unfall mit den Büschen hatte er wieder in Ordnung gebracht. Somit konnte Saltus nun Gegenstände verwandeln, sie äußerlich normal erscheinen lassen sowie ihre Eigenschaften verändern. Sein Blick viel auf den Busch in Menschengestalt: „Dieses Mal wird es anders, aber ich muss das gut planen.“ Während Saltus darüber nachdachte, wie seine eigene Kreatur aussehen sollte, begann er im Wald herum zu laufen und mögliche Objekte zu sammeln, die er verwenden könnte. Dabei war die Auswahl groß: Steine, Zweige, Federn, Fellbüschel, Blätter, Blumen und vieles mehr. „Es sollte männlich sein, stark, geschickt, mich bei Gefahr beschützen können, aber freundlich und eine gute Gesellschaft sein.“ Nachdem Saltus all seine Gegenstände zusammengetragen hatte, legte er sie beiseite und wählte eine ausreichend freie Fläche im Wald. Diese begann er von allen störenden Dingen zu befreien, wie größeren Steinen, Zweigen, Blätter und Eicheln. Prüfend warf er seinen Blick über den Boden: „Das sieht ja schon mal gut aus. Jetzt der Schutzkreis.“ Saltus nahm seinen Ast zur Hand und begann den Kreis in den Boden zu ziehen: „Ich grüße die aufgehende Sonne mit all ihrer Wonne, ich grüße die Mittagssonne und bitte euch um Kraft, sodass ihr einen Schutzkreis schafft. Ich grüße im Westen die untergehende Sonne noch fern, löse auf den Schutzkreis, wenn steht der erste Stern. Und im Norden die Mittagsnachtsonne steht, die Kraft von später hinein geht. So sei es und geschehe.“ Tag für Tag den er geübt hatte, waren seine Sprüche und seine Zauber wirkungsvoller geworden. Die Naturmagie fühlte sich inzwischen vertraut an und gab ihm ein Gefühl von Sicherheit. Wie beim letzten Mal leuchtete der Kreis grünlich auf, genauso wie der innere Boden, ehe alles wieder normal wirkte. Nun musste die Planung genau sein, schließlich wollte er ein lebendes und selbstständig denkendes Wesen erschaffen. Er setzte sich in die Mitte des Kreises und meditierte, dabei konzentrierte er sich auf seine Atmung und ließ alle anderen Gedanken verschwinden. Seine Konzentration sollte nur noch auf seinem Vorhaben liegen. Etwa eine halbe Stunde verweilte er so, horchte in sich hinein, blendete seine Sorgen aus und ließ die Natur um ihn herum auf sich wirken, ehe er sich erhob und zu seiner Auswahl von Objekten trat: „Was wäre am besten?“ Die Steine wollte er nicht nehmen, sein Wesen sollte nicht hart wie Stein sein, selbst wenn er das im Nachhinein vielleicht ausbessern könnte. Auch die Äste und Zweige schloss er schnell aus, denn er wollte von dem laufenden Busch weg. Seine Wahl fiel schließlich auf eine der Federn, eine Falkenfeder: „Die ist perfekt.“ Die Feder platzierte er in der Mitte des Kreises: „Lebend, denkend… am besten gebe ich dir etwas von mir, aber was?“ Unsicher was das Beste wäre, blickte er an sich hinab: „Das sind auch alles nur tote Objekte.“ Als er seinen Blick schweifen ließ, entdeckte er einen Dornenbusch und ging zu diesem hin. Er stach sich mit einem der Dornen in den Finger, sodass Blut heraustrat: „Blut ist lebendig, damit könnte es funktionieren.“ Auch wenn Saltus in dieser Richtung noch nie mit der Naturmagie experimentiert hatte und dennoch gab es für jeden Versuch ein erstes Mal. Zurück im Kreis ließ er etwas Blut auf die Feder tropfen und steckte sich dann den Finger in den Mund, in der Hoffnung das die Wunde schnell aufhören würde zu bluten, auch wenn sie nur geringfügig war. Mit dem einem Finger im Mund, nahm er seinen Ast mit der anderen Hand und begann rund herum im Kreis Eigenschaften in den Boden zu schreiben: Wolf, 23 Jahre, freundlich, treu, neugierig, hilfsbereit, klug, vorsichtig, verantwortungsbewusst, unverwundbar, kämpferische Fähigkeiten. Kaum hatte er das letzte Wort aufgeschrieben, nahm er den Finger aus dem Mund und stellte fest, dass es aufgehört hatte zu bluten. Während er seinen Ast auf die Falkenfeder richtete, verblieb er im Kreis und sprach konzentriert eine Beschwörung: „Das Leben bringt, in Blut getauft, seinen Zyklus hier durchläuft, sei gebunden, als Wolf ins Leben gefunden. 23 Jahre sind bereits um, kümmere dich nicht drum. Deine Freundlichkeit, deine Treue, Neugierig darfst du sein und hilfsbereit sowie klug, bis zum letzten Atemzug.“ Während Saltus den Spruch aufsagte, leuchtete die Wörter jeweils immer grünlich auf, ehe das Leuchten dann zur Feder überfloss und darin verschwand: „Vorsichtig und verantwortungsbewusst sollst du sein, reifen an Wissen fein. Auch unverwundbar und Fähigkeiten zum Kampf wirst du haben, ich gebe dir all diese Gaben. Komm und zeige dich! Ich beschwöre dich! Ich beschwöre dich!“ Die Feder begann zu Schweben und breitete sich in grünlichem Licht aus, wurde größer und nahm immer mehr die Form einer Person an, die eines Wolfes. Nachdem das Licht mehr und mehr verblasste, stand ein brauner Wolf dort, wo einst die Feder war. Sein Fell hatte einige weiße Stellen und seine Augen waren die eines Falken. Saltus lächelte, senkte den Ast und griff vorsichtig nach ihm: „Hallo, ich bin Saltus.“ Der Wolf blickte an sich herab, betrachtete seine Hände und sah dann zu Saltus, instinktiv sprach er ihn an: „Saltus, mein Meister.“ „Saltus, Saltus reicht völlig aus. Bitte nenne mich nicht Meister“, entgegnete er dem Wolf und kam sich schon etwas komisch dabei vor, „Du brauchst einen Namen oder hast du einen Namen?“ Kopfschüttelnd antworte der Wolf: „Ihr könnt mir einen Namen geben.“ „Wie wäre es erst mal damit, dass wir uns duzen. So wie Freunde. Ich möchte gerne mit dir befreundet sein und als Name… wie wäre es mit Avis* ? Gefällt dir das?“ Ein freundliches Nicken folgte: „Avis ist schön. Ich werde gerne euer… verzeih… dein Freund sein.“ „Entschuldige dich nicht“, erwiderte Saltus sein Lächeln mit seinem eigenen, „Wir sind Freunde und Freunde gehen vertraut miteinander um. Ich bin so froh, dass du da bist Avis. Jetzt bin ich nicht mehr allein und vielleicht finden wir sogar einen Weg hinaus aus dem Wald.“ „Hast du einen guten Weg durch den Wald entdeckt?“ fragte Saltus seinen neuen Begleiter. Es waren einige Wochen vergangen seit dem Avis erschaffen worden war. Wie sich herausgestellt hatte, waren die Falkenaugen nicht das einzige Falkentechnische an Avis, er konnte sich ebenfalls in einen kleinen Falken verwandeln und überflog so die nähere Umgebung oder kundschaftete den Wald aus. „Ich denke, ich habe einen sicheren Weg gefunden, Saltus. Wir sollten Wasser mitnehmen, denn bis zum nächsten Fluss ist es weit“, entgegnete Avis, kaum das er sich zurück verwandelt hatte, „Erst einmal kommt nichts als Bäume. Kein See und klein Fluss weit und breit. In der anderen Richtung liegt ein See, aber du sagtest ja, dass es dort gefährlich ist.“ Saltus nickte und dachte an sein Erlebnis am See zurück: „Es ist besser, wenn wir das nicht riskieren. Konzentrieren wir uns darauf heute Wasservorräte anzulegen und morgen früh gehen wir los.“ Avis hatte inzwischen auch Kleidung von Saltus erhalten, welche dieser aus verschiedenen Pflanzen erschaffen hatte: Eine blaue Hose aus Vergissmeinnicht, ein grünes Shirt aus Ahornblättern, braune Stiefel aus Holzfasern und weiße Handschuhe aus Schafgabe. Nach einigen Tagen Fußmarsch waren Avis und Saltus dem Wald entkommen. Sie hatten den nächsten Fluss angesteuert, welcher wiederrum in einen weiteren Wald führte. Um nicht auf dem offenen Gelände unter freiem Himmel zu schlafen, hatten sie den Weg in den unbekannten Wald gewählt und waren nahe dem Fluss geblieben. „Hey, ihr da!“, rief eine männliche Stimme. Avis fuhr sofort herum und erblickte einen weiteren Wolf: „Wer seid ihr?“ Auch Saltus hatte sich zur Stimme gewandt und hatte gemischte Gefühle. Ewig war er niemanden begegnet und nun tauchte hier jemand mitten im Wald auf. Der fremde Wolf kam näher, seine Kleidung war aus Baumwolle gefertigt und er trug einen blühenden Zweig hinter dem Ohr: „Ich bin einer der westlichen Hexer und wer seid ihr?“ „Hexer? Was ist das?“, hackte Saltus verwundert nach. Davon hatte er noch nie gehört. Schmunzelnd antwortete der Fremde: „Hexer sind sozusagen das Volk der Naturmagier, wie die Druiden nur mächtiger. Die weibliche Form nennt man Hexe. Wir sind unabhängig von den anderen Magiern und wollen daher auch anders bezeichnet werden. Die nördlichen Hexer und Hexen hatten das entschieden und ein paar von ihnen haben uns ausgebildet. Wir sind aber noch in den Anfängen. Und woher kommt ihr? Ihr wolltet euch nicht zufällig uns anschließen?“ Es kamen ab und zu andere Leute aus Dörfern und Städten, die die Naturmagie lernen wollten. So wie einst Saltus mit seinen Eltern aufgebrochen war, um die nördlichen Naturmagier zu suchen. Vielleicht hätten sie gar nicht so weit reisen müssen und wären niemals auf den Dunkelmagier gestoßen. Avis blickte fragend zu Saltus, denn die Entscheidung lag bei ihm. Dieser riss sich von seinen Gedanken los und überlegte nicht lang: „Wir kommen aus einem Wald in der Nähe. Ich kann schon etwas Naturmagie nutzen und würde gerne mehr lernen.“ Der Hexer lächelte ein wenig amüsiert darüber: „So? Dann kommt mal mit und zeig uns, was du schon kannst.“

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